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DISCOURSES ON POLITICAL REFORM AND DEMOCRATIZATION IN EAST AND SOUTHEAST ASIA IN THE LIGHT OF NEW PROCESSES OF REGIONAL COMMUNITY BUILDING

Project Discussion Paper No. 13/2001 Das Diskursumfeld vietnamesischer Knstler und Intellektueller by Patrick Raszelenberg The project is funded by the "Deutsche Forschungsgemeinschaft" (DFG). The discussion papers published in this series are edited by Claudia Derichs and Thomas Heberer Institut fr Ostasienwissenschaften (Institute for East Asian Studies/East Asian Politics) Gerhard-Mercator-University Duisburg D-47048 Duisburg, Germany Tel.: +49-203 379-3728 Fax: +49-203 379-3728 E-mail: heberer@uni-duisburg.de by the author April 2001

Preface to the Paper Series The present discussion paper series of the Institute of East Asian Studies accompanies a re- search project entitled Political Discourses on Reform and Democratisation in Light of New Processes of Regional Community-Building. The project is funded by the Deutsche For- schungsgemeinschaft and supervised by Thomas Heberer. The central topic of interest is, as the title of the project suggests, the influence exerted on the political reform process by political discourse. The papers published in this series address the public political discussion at the national as well as the transnational, regional level. Accord- ingly, the papers display a variety of discourses that have emerged in different countries and centre round different political issues. Contributions from authors of the region are particu- larly welcome, because they reflect an authentic view of the political discussion within the local public. By integrating and encouraging the local voices, the project team intends to compile a collection of papers that document some important debates and states of the re- search process. The current political discourses in East Asia are primarily analysed in case studies of two authoritarian states (China, Vietnam), a multi-ethnic, formally democratic state with strong authoritarian features (Malaysia), and a democratic state with significant parochial structures and patterns of behaviour (Japan). In addition to these case studies, contributions from and on other countries of the region are included to provide a broad scope of comparable discourses. While Claudia Derichs and Thomas Heberer are the editors of the paper series, a project team of eight members conducts field work in East Asia and brings forth regular proceedings. Re- search reports other than discussion papers shall be published in refereed journals and maga- zines. Detailed proceedings leading to the final results of the research project will be pub- lished as a book. The project team is composed of research fellows associated with the Chair for East Asian Politics at the Gerhard Mercator University of Duisburg. The team members are: Karin Adelsberger (area: Japan); Claudia Derichs, Ph.D. (Malaysia, Japan); Lun Du, Ph.D. (China); Prof. Thomas Heberer, Ph.D. (China, Vietnam); Bong-Ki Kim, Ph.D. (South Korea); Patrick Raszelenberg (Vietnam); Nora Sausmikat (China); and Anja Senz (China). Paper No. 1 of the series provides a detailed idea of the theoretical and methodological setting of the project. Each discussion paper of the present series can be downloaded from the univer- sity server, using the following URL: http://www.uni-duisburg.de/Institute/OAWISS/ Publikationen/index.html. Suggestions and comments on the papers are welcome at any time. Duisburg, June 2000 Claudia Derichs and Thomas Heberer

Das Diskursumfeld vietnamesischer Knstler und Intellektueller AutorInnen/Authors: Patrick Raszelenberg Reihe/Series: Politische Reform- und Demokratisierungsdiskurse im Lichte neuer Prozesse regionaler Ge- meinschaftsbildung Discourses on Political Reform and Democratization in East and Southeast Asia in the Light of New Processes of Regional Community-Building Zusammenfassung/Abstract: Dieser Beitrag ist das Teilergebnis einer Reihe von Gesprchen mit Knstlern, Intellektuellen und Mitgliedern der politischen Elite in Hanoi im Sommer 2000, wobei die Untersuchung des politischen Diskurses hinsichtlich der zuknftigen Entwicklung Vietnams im Vordergrund stand. In diesem Aufsatz wird in erster Linie eine Positionierung einiger Gesprchsteilnehmer innerhalb ihres Umfeld versucht, um eine genauere Bewertungsgrundlage ihrer Aussagen zu erlangen. Da sich die Gesprche mit Knstlern (Maler, Schriftsteller usw.) als beraus frucht- bar erwiesen, soll gezeigt werden, weshalb man diese Gruppe nicht anhand derselben Kriteri- en zu bewerten hat wie Mitglieder der politischen Elite. Eine exakte Verortung der jeweils unterschiedlichen informellen Gruppen sowie ihrer Mitgliederfluktuationen u.. erscheint noch zu frh. Am Beispiel der literarischen Tradition wird der Versuch unternommen aufzu- zeigen, da individuelle Gesprche den ideengeschichtlichen Diskurs besttigen knnen. Dar- ber hinaus wird ein Blick auf das konkrete Arbeitsumfeld der Knstler geworfen sowie das Verhalten des Staates ihnen gegenber diskutiert. Vietnam, Kunst, Ideengeschichte, politischer Diskurs

Das Diskursumfeld vietnamesischer Knstler und Intellektueller Patrick Raszelenberg Inhaltsverzeichnis Die Person vor der Individualitt:

Der klassische Tugendbegriff.....................................

2Individualittsdiskurs und der Streit um knstlerische Ausdrucksformen.......................

3Diskursbezugssysteme......................................................................................................

4 Die Situation heute I .......................................................................................................

12 Die Situation heute II......................................................................................................

18 Die Situation heute III.....................................................................................................

19 Schlu..............................................................................................................................

Arbeiten von Gegenwartsknstlern erfordern mitunter komplexe Herangehensweisen, da sich ihre Werke nicht ohne weiteres entschlsseln lassen. Sie stehen sozusagen am (jeweiligen) Ende einer kunstgeschichtlichen Tradition, deren historisch klar umrissene Einteilungen in diesen Werken gesprengt und auseinandergerissen und doch still- schweigend vorausgesetzt werden. Gleichzeitig erlaubt dieser Umstand dem einzelnen Knstler, soziale und politische Inhalte auf verschwiegenere Art und Weise im Werk unterzubringen, da die Kodifizierung der eigenen Arbeit nicht mehr auf jenem Konsens beruht, dem sich Knstler und Gesellschaft zu Zeiten klarer Verhltnisse hinsichtlich des regierenden Kanons gegenbersahen. Fr das Verstndnis nicht nur der Werke an sich, sondern der Entstehungsprozesse sowie des Arbeitsumfelds sind zum einen die Rekurrierung auf sozial und historisch relevante Diskurse als auch die Umgehung nach wie vor herrschender Normen und akzeptierter Standards von entscheidender Bedeu- tung. Nicht immer berfordert ein Knstler das Publikum mit seiner Vorhutrolle als Teil einer knstlerischen avantgarde. In den meisten sozialistischen Staaten wird gerade die- se Rolle von der Politik beansprucht, da sie die Kunst soweit kodifiziert hat, da jede Herausforderung des politischen Credo in der Kunst durch die Kreativitt des Individu- ums als hretisch und revisionistisch gilt. Da die Politik den Schlssel zur Interpretation vorgibt, kann die Kunst niemals Vorhut einer eigenstndigen Arbeitsweise (und ihrer Resultate) werden. Die durchschnittliche Lesbarkeit eines Kunstwerkes (in einer be- stimmten Gesellschaft zu bestimmter Zeit) ist ein Resultat der Distanz zwischen dem Code, den das betreffende Werk objektiv erfordert, und dem sozialen Code als einer historisch bedingten Institution. 1 Diese Distanz, mit der alle Knstler fertigzuwerden haben, kann letztendlich nur im Einvernehmen mit der Gesellschaft berwunden wer- den, da der soziale und knstlerische Wert eines Kunstwerks davon abhngt, welche Bedeutung ihm beigemessen wird. Sind es auch zunchst nur die Freunde des Knstlers, welche diese Bedeutung erkennen und erst langsam auf die Institutionen der Kunst (Verbnde, Museen usw.) bertragen, so mu sich jedes Werk durch das Interpretati- onsspalier einer ganzen Reihe gewichtiger Stimmen schlngeln, zu deren wesentlichen diejenige der Politik gehrt. Vietnamesische Gegenwartsknstler haben angesichts mas- siven staatlichen Eingriffs in und Steuerung der Kunstproduktion oft nur mehr das Selbst als Basis letzten knstlerischen Rckzugs aus der politisierten Tagesproduktion. Die Herausbildung einer Persnlichkeit, die in der Lage ist, sich selbst gegenber als wahrhaftig und aufrichtig zu bestehen, ist daher von tragender Bedeutung. Anders als im Westen, wo jeder seine Launen nach Belieben ausleben kann und die Werke allen- falls keinen Erfolg haben bzw. verkannt werden, ist vietnamesischen Schriftstellern, Malern, Skulptoren usw. das Ich die wesentliche Waffe in der tglichen Auseinander- setzung mit Foucaults Diskurspolizei, die immer dann einschreitet, wenn Regeln des Diskurses verletzt werden. Tatschlich jedoch sind diese Regeln derzeit eher ver- schwommen, da der althergebrachte Kanon des sozialistischen Realismus nicht mehr dieselbe Funktion einnimmt wie noch vor zehn, fnfzehn Jahren. Wir beginnen daher unsere Diskussion mit einem kurzen Blick auf denjenigen Ort innerhalb der ostasiati- schen Geistesgeschichte, der die Tradition der politischen Tugend zum ersten Mal thematisiert. Gedacht als Anleitung zum weisen Regieren, ist hier dennoch eine Reihe zahlreicher Hinweise auf die Mglichkeiten des Einzelnen, sich zu einer tugendhaften Persnlichkeiten herauszubilden, die sich nicht durch die jeweiligen Verhltnisse ein- fangen lt, zu finden.

Die Person vor der Individualitt: Der klassische Tugendbegriff Die Art und Weise, wie von offizieller Seite ber die Tugend des Einzelnen referiert wird, verdeutlicht, da eine solche nur in der Umsetzung der eigenen Individualitt ent- springender berzeugungen eine wirklich selbstreferentielle ist, da sie sich nicht in ideologische Schranken weisen lt, wohingegen auf Parteiebene lediglich die Ortho- doxie einer stark kodierten und symbolisch entleerten Tugend zur Anwendung gebracht wird. Besonders auffllig ist dies am Beispiel des Gralshters der revolutionren viet- namesischen Tugend, H` Ch Minh, zu beobachten, dessen Biographie zu mehreren Zwecken herangezogen wurde: Als Verkrperung des Vorbilds revolutionrer Tugend 2 , Weisheit, Erfahrung, ausgleichender Gerechtigkeit 3 , vor allem jedoch persnlicher Inte- gritt, wie sie sich im staatlich organisierten Antipersonenkult um ihn herausbildete. Ho Chi Minh hat in zahllosen Vortrgen darauf hingewiesen, da das wichtigste Ele- ment fr die Heranziehung von Kadern, die sich der Revolution wrdig erweisen, die Kultivierung des eigenen moralischen Standards sei. 4 Ausgebildet in der Tradition jener vietnamesischen Dorfkinder, welche die konfuzianischen Klassiker von klein auf im Original zu lesen hatten, wurzelte Ho Chi Minhs Glaube an die Notwendigkeit der Kul- tivierung des Selbst im locus classicus der Herausbildung eines wrdigen Menschen, jener Passage des Daxue, in der die Kultivierung des Selbst in eine Abfolge acht auf- steigender Prmissen eingebunden ist, die von der Analyse der Dinge um einen herum bis zur Harmonie der Welt gereicht (ko wu chih chih cheng i cheng hsin - hsiu chen chi chia chih kuo ping tien hsia). 5 Die Kultivierung des Selbst (hsiu chen, vietn. tu thn) fand ihre aufflligste Kodifizierung durch Zhu Xi, der anmerkte, es stehe geschrieben, da man das vollkommen Gute durch die Nichtverdeckung seiner angeborenen strahlenden Tugend und ihrer praktischen Anwendung, der Erneuerung bzw. Erziehung des Menschen, erlange. 6 Ho Chi Minh bertrug dieses Sittlichkeitsge- setz auf die Ausbildung der Parteikader und verband es mit der Forderung, smtliche Parteimitglieder htten ein permanentes Vorbild in allen Lebenslagen abzugeben. Das vietnamesische tu thn ist demnach vergleichbar mit dem abendlndischen aufrechten Gang, nur mit dem Unterschied, da dahinter der Glaube an die Erziehbarkeit des Menschen, der seiner eigenen Vervollkommnung vorausgeht, steht. Kultivierung des Selbst ist zuvorderst Verstehens durch Nachforschung (ko wu). Gemeint ist das aktive Erforschen der eigenen Umwelt im weitesten Sinne, wozu selbstredend das gesamte persnliche Beziehungsgeflecht des Einzelnen gehrt. Man lernt zwar fr sich selbst, doch nicht im herkmmlichen abendlndischen Sinne, der das Individuum von seinem Umfeld ausklammert, sondern im Sinne eines sozialen Selbst, das ein Leben lang in ein Netzwerk der verschiedenartigsten Beziehungen eingebunden bleibt. 7 Dieses perma- nente Erforschen fhrt in der Regel zum besseren Verstndnis des eigenen sozialen Um- felds, was dazu befhigt, eine sozial angemessenere Rolle zu spielen und sich, immer im Sinne der konfuzianischen Moralteleologie, besser in das Netzwerk dieser Beziehungen einzufgen, um die soziale Harmonie im kleinen zu frdern, damit sie sich auf die Har- monie des gesellschaftlichen Gesamtkrpers auswirken mge. Der moralische Aus- gangspunkt der konfuzianischen Tugend ist daher weniger der eines abstrakten, von seinem sozialen Umfeld losgelsten Individuums, das seine Ziele i- chen versucht, sondern der eines integrierten Menschen, der sich nicht auerhalb seiner menschlichen Bindungen stellen kann und soll. Die Harmonisierung der Beziehungen erinnert an den christlichen Begriff der Nchstenliebe und scheint ein vertrautes Ver- langen darzustellen, um mit sich selbst ins Reine zu kommen; doch handelt es sich hier- bei keineswegs um ein altruistisches Verfahren zur Bereicherung des Anderen, sondern eine unabdingbare Notwendigkeit, um als geluterter, sich selbst erkennender Mensch ein Leben des Ausgleichs nach Auen und der Erleuchtung bzw. Erkenntnis nach Innen zu fhren. Erst dann wird er selbst unter der Voraussetzung, seine Tugend sei revolu- tionr und an politische Doktrinen gebunden das Vorbild abgeben knnen, auf das Ho Chi Minh sich bezog. Individualittsdiskurs und der Streit um knstlerische Ausdrucksformen Der moderne Individualittsdiskurs zeigt, da mit dem Konzept einer an die Selbstkul- tivierung gebunden politischen Tugend immer auch die zu bestimmten Zeitpunkten ge- forderte Initiative des Einzelnen verbunden wird. Das kann zunchst bedeuten, sich ein- fach Gedanken zu machen, fhrt jedoch auch zu Fragen der praktischen Konsequenz dieses Reflexionsprozesses ber Mglichkeiten der Vernderung und aktiven Teilnahme am Diskurs ber Gestaltungsmglichkeiten der Zukunft des Landes. Darauf angespro- chen, ob die Rezeption des Individuums in Vietnam und die Art, wie es sich im politi- schen Proze uert, Beispiel oder Vorbild fr ein Eingreifen in den nach wie vor strikt regulierten politischen Diskurs liefern kann, uerten sich nahezu alle Gesprchspartner einer im Sommer 2000 durchgefhrten Interviewserie positiv, allerdings mit der Ein- schrnkung, da der moderne Individualittsdiskurs stark von westlichen Vorstellungen geprgt sein und im Bewutsein der Bevlkerungsmehrheit einen ungleich schwcheren Stellenwert als fr die Intellektuellen einnimmt. Die vietnamesische Differenzierung des Individuums (Krper Seele Einzelperson, xin - grn) entspricht lediglich im letzteren Fall einer vergleichsweisen Vorstellung unseres Individuums, wohingegen die ersten beiden Begriffe untrennbar mit der berlieferung der konfuzianischen Soziallehre verbunden sind. In den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde der Begriff der Indivi- dualitt zum ersten Mal im Zusammenhang mit politischem Wandel eingesetzt, wobei es in erster Linie um eine Auseinandersetzung mit der verkrusteten Gesellschaftsstruk- tur ging sowie um die Tatsache, da Frankreich die Rechte, die es seinen eigenen Br- gern zugestand, in den Kolonien als Abklatsch hehrer Prinzipien in die Selbstdarstel- lung des Mutterlands einbrachte, ohne da sich daraus Konsequenzen ergeben htten. 8 Sobald ersichtlich wurde, welche geistesgeschichtlichen Voraussetzungen sich mit nhn verbanden, d.h. da hiermit ebenfalls soziale und politische Rechte verknpft waren, begann der Begriff eine grere Rolle zu spielen, u.a. in Debatten um die Be- hauptung der eigenen Persnlichkeit, etwa in Familienkonflikten, aber auch im ffentli-

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chen Leben. Besonders starken Niederschlag fand diese Auseinandersetzung in der Lite- ratur jener Zeit sowie der dahinterstehenden Frage, was der Einzelne (nicht die Gruppe, die Gemeinschaft) leisten kann, um Einflu auf den sozialen und politischen Vernde- rungsproze zu nehmen. Wohingegen die im folgenden skizzierte Debatte, die sich u- erlich um den Zweck der Kunst drehte, normalerweise als eine schlichte Epoche des bergangs charakterisiert und als Teil der vietnamesischen Revolutionsgeschichte be- handelt wird 9 , behaupte ich, da sich dahinter ein Modell fr Handlungsalternativen verbirgt, das auch heute noch relevant ist. Wie wir sehen werden, wird noch immer dar- auf rekurriert, auch wenn dieser Bezug nur indirekt als politische Aussage gedeutet werden kann, da die Zeit von 1920 bis 1940, als die Assimilierung auslndischer Kon- zepte neue Kunstformen, literarische Techniken, politische Ideen, allesamt in Form einer Barrage von Neologismen Hochkonjunktur hatte, in erster Linie vorrevolution- re Vergangenheit ist. Gleichwohl ist sie, obzwar ohnehin weniger Kompendium muse- aler Fakten denn lebendige Kasuistik, als ideengeschichtliche Ressource bedeutsam, da sie die Art und Weise, wie ber was gesprochen wird dies gilt vorrangig fr Intellek- tuelle und Knstler erhellt und jeden, der auf sie verweist, daran erinnert, da die Art, wie damals Entscheidungen getroffen wurden, sich nicht so sehr vom heutigen politi- schen Kontext unterscheidet. Das gegenwrtige Individuum, jahrelang verborgen hinter der Einheit, dem Genossen, der Vereinigung, trifft Entscheidungen fr sich, deren Tragweite ihm sofort entgleiten, da es seine Autonomie (im rechtlichen, sozialen und politischen Sinne) noch nicht wiedererlangt hat. Insbesondere die knstlerische Produk- tion das sollte aus nachfolgender Skizzierung ersichtlich werden erlaubt keine apo- litischen Erklrungen. Da dem so ist, ist nicht allein eine Frage der Politik, des Regie- rungssystems oder der herrschenden Ideologie, sondern beruht wesentlich auf bewuter Parteiergreifung derjenigen Knstler, in deren Tradition die heutigen vietnamesischen Kunstschaffenden stehen. Diskursbezugssysteme Wenn ein Knstler behauptet, er ziehe ungeachtet der Tatsache, da Vietnam hierfr eigentlich keine Voraussetzungen biete, eine demokratische Regierungsform dem er- starrten postkommunistischen System vor und bevorzuge eine freie Kunst anstelle der noch geltenden Leitlinien des sozialistischen Realismus, so sind wir angehalten, diese Aussage vorsichtig zu interpretieren. Was damit gemeint ist, soll folgende Analogie veranschaulichen: Foucault schreibt in Die Ordnung der Dinge, da es sich bei der Darstellungsweise im Bildnis der Hofdamen (Las Meninas) von Velzquez um die Reprsentation der klassischen Reprsentation und die Definition des Raums, den sie 10 , handele. Angenommen, er habe recht, bedeutet das, da er die Intention der klassischen Reprsentation voraussetzt, denn nur so kann er nachweisen, da absichtlich eine Reprsentation verfolgte. Ebenso mten wir annehmen, unser Knstler habe nicht nur gewut, was er sagen wollte, sondern sich klar und deutlich fr eine wie auch immer definierte Form der freien Kunst entschieden. Was er in seinen uerungen bezeichnet, stelle nichts als eine Abbildung derjenigen Reprsentationsform der freien Kunst dar, die er kennengelernt hat selbstverstndlich bertragen auf einen andersarti- gen sozialen, kulturellen und politischen Kontext. Nun hat sich Foucault aber geirrt und bersehen, da seine Interpretation einer optischen Tuschung aufgesessen ist:

Velzquez hat das Bildnis vor einem riesigen Spiegel gemalt, wie Asemissen nachge- wiesen hat. 11 Demnach kann auch die Aussage des Knstlers besser verstanden werden, wenn sie gleichsam am Ende eines Blicks durch den gespiegelten Raum (die Tradition, in der er steht) erblickt wird, so da man sieht, um welche Form der Reprsentation es sich hier eigentlich handelt: Demokratie als uerer Rahmen fr die freie Entfaltungs- mglichkeit der Kunst oder doch eher als Rahmen fr den erneuten Kampf um die bes- sere Form der knstlerischen Ausdrucksmglichkeit, eine Auseinandersetzung, in der nicht notwendigerweise die freie Kunst die Oberhand behalten mu? Schlielich war die Entscheidung der Kulturschaffenden fr den sozialistischen Realismus zumindest in Nordvietnam eine freiwillige sptestens Mitte der fnfziger Jahre htten im Rahmen der Genfer Vereinbarungen des Seitenwechsels zwischen Nord und Sd alle gehen kn- nen. Der Streit um genannte Ausdrucksformen, welche die neuere Tradition, in der gegen- wrtige Aussagen von Knstlern und Intellektuellen zu sehen sind, beschreibt, beginnt 1925 mit der Verffentlichung eines Buchs, das gemeinhin als erster vietnamesischer Roman bzw. als dieses Genre in Vietnam etablierend gilt, Hong Ngo.c Phchs TT [Reines Herz] 12 , eine vietnamesische Version Hsu Chen-yas Hsueh hung lei shih, das das Schicksal zweier junger Menschen beschreibt, die sich vergebens gegen die Tradition, einen von der Familie ausgesuchten Ehepartner zu heiraten, auflehnen und den Kampf gegen eine das Individuum erdrckende Gesellschaft verlieren. In Thematisierung des Individuums zum ersten Mal ffentlicher Gesprchsstoff, da hier ein Thema berhrt wird, dessen sentimentale Darstellung den als repressiv empfundenen Charakter des konfuzianischen Kollektivismus deutlich heraus- arbeitet. Gleichzeitig erklrt dieser frhe Erfolg Phchs Anfang des 20. Jahrhunderts sowie der Entwicklung, die sich nun anschlo, da die Tradition der vietnamesischen Literatur in diesem Jahrhundert in erster Linie eine des Sprechens ber sozialen Wandel und damit auch politische Vernderungen ist eine Tradition, die sich verhltnismig schnell etablierte und sich nicht, wie in China wo viele Jahre zwischen dem ersten Artikel, der eine grere Rolle fr die Literatur im nationalen Reformproze einklagte und den ersten Bemhungen um eine Definierung dieser Rolle durch Liang Qichao ver- strichen 13 - erst langsam herausbildete. Darber hinaus scheint die Leserschaft in Viet- nam dank des verstrkten Zugangs von Frauen zum franzsischen Ausbildungssystem verhltnismig grer gewesen zu sein als in China. 14

Neun Jahre spter wird Vietnam von einem wahren literarischen Skandal erschttert, als Linh, Mitglied eines literarischen Zirkels, der sich der Vernichtung altherge- brachter Lebensformen 15 verschrieben hatte, Bruch (oa.n Tuy.t) verffentlicht und den Lesern Phchs Romans zum ersten Mal eine Alternative bietet: Die Entscheidung, die Familie des ausgesuchten Ehepartners zu verlassen und die Wnsche des Einzelnen ber das Verlangen des Kollektivs zu stellen. In einer thematischen hatte ein anderes Mitglied desselben Zirkels, Khi Hung, noch zwei Jahre zuvor das Bild einer Liebe, die sich fr das Gemeinwohl der traditionellen Familienbande, der arrangierten Heiraten und der konfuzianisch-misogynen sozialen Harmonie opfert, entworfen. 16 NhtLinhs Schritt jedoch lies dem Leser keine Wahl mehr. hnlich Faul- kners Sanctuary dramatisch bewut berspitzt-berzogene Situationen kreierend, ent- kommt die Protagonistin der Familie des Ehegatten erst nach Verstrickung, Verzweif- lung und Tragik (anfngliche Komplizitt, schleichende Resignation und schlielich Ermordung des Gatten), um hernach ein Leben jenseits aller traditionellen moralischen Konventionen zu fhren, das ihr erlaubt, zu sich selbst zu finden. Da das Werk wie eine Bombe einschlug, braucht nicht zu berraschen fr Diskussionsstoff war gesorgt doch gewichtiger erscheint, da sich die deutliche Mehrzahl der jngeren Leser aus der Seele gesprochen fhlte, was die Hoffnungen des Autors bestrkte, da es diese Ge- neration war, die er ansprechen wollte und die seine Anliegen in der Zukunft verwirkli- chen konnten. Darber hinaus verschiebt sich mit Bruch zum ersten Mal in der viet- namesischen Literaturgeschichte derart deutlich die Perspektive des auktorialen Erzh- lers, der nun nicht mehr von Konzeptionen der Vernunft (l), des Verstands (tr), der Propriett (l)nghia) geleitet wird, sondern aus dem Herzen (tm), dem Gefhl (tnh) und mit Emotionen (ca?m) argumentiert, wobei die Individualittskonzeption in diesem Fall eine deutlich vernunftabweisende, gleichsam bauchorientierte Bestimmung erfhrt. Linhs Werke trafen das Publikum nicht ganz unvorbereitet, insbesondere die wichtigste Zielgruppe, junge Frauen: 1918 war die erste reine Frauenzeitschrift (Frauenwelt) gegrndet worden, und 1926 rief die groe Vorkmpferin vietnamesi- scher Frauenrechte zu Beginn des Jahrhunderts, Dam Phuong, den Arbeits- und Stu- dienverbands der Frauen ins Leben. Seit 1926 gab es eine Wochenzeitschrift Neue Dam Phuongs Begriff der nationalen Mutter (me. qucdn), der eine neue Rolle der Frau, die sich in der Politik engagieren soll 17 , beschrieb, hatte die Runde gemacht. Die Frau des vielleicht bekanntesten nordvietnamesischen Intellektu- ellen (Dao Duy Anh 18 ), Tran Thi Nhu Man, erkannte bereits in den frhen zwanziger Jahren, da es fr ein Lesepublikum, das sich seiner Individualitt deutlicher bewut wurde, mehr bedurfte als die Institutionalisierung der Scheidung 19 und da es diesmalnicht reichen wrde, sich am chinesischen Vorbild zu orientieren, das bis zur 4. Mai- Bewegung zwei Wege offenhielt: Eskapismus 20 oder Forderung nach einer neuen Rolle, gesttzt auf den zeitweiligen besseren Zugang zum ffentlichen Leben. 21 Dennoch hatte es in beiden Lndern den Versuch einer Einbindung sozialer oder geschlechterspezifi- scher Gruppen in den gesellschaftlichen Vernderungsproze durch die Literatur gege- ben, obgleich einerseits Yue Mingbao davon ausgeht, da Frauenfragen zur Thematisie- rung politischer Fragen wie der modernen Nationenbildung benutzt wurden 22 und der Wahlspruch Schwestern Annams! Vereinigt Euch, um den Imperialismus und die alt- hergebrachte Gesellschaft zu zerstren! zunchst eine Umstrukturierung der Ge- schlechterrollen und damit fundamentalen sozialen Wandel verlangt htte. 23 Da Fragen der Zwangskollektivierung des Ichs in China sehr viel strker debattiert und literarisch ausgefeilter prsentiert wurden, auch wenn dies keinen Nachhall sdlich Liangnans fand, zeigt sich u.a. im Werk Ding Lings sowie im Protagonisten Ba Jins erfolgreichem Roman Familie, Chueh-hui (Diese Art von Existenz ist schlichtweg eine Verschwen- dung der Jugend, eine Verschwendung des Lebens! 24 ). Als Thieu Son 1935 bestritt, da lediglich diejenige Literatur, die sich an ein bestimm- tes Stratum der Gesellschaft richtet, die einzig sinnvolle sei, markierte er die Eckpunkte einer Argumentation, die er gemeinsam mit Hoi Thanh und anderen verfocht und die sich explizit gegen Hai Trieu und andere wandte, die verlangten, da die Literatur ge- sellschaftliche und politische Vernderungen zu spiegeln und nachzuzeichnen habe. 25 Der Rahmen, innert dessen sich diese aus heutiger Sicht eher kurios anmutende Debatte abspielt, ist eine Zeitspanne, die fr die vietnamesische Literatur von auerordentlicher Bedeutung ist. Knapp ein Jahrzehnt nach dem Erscheinen von Reines Herz entzndet sich ein Streit um die Frage, welchen Zweck die Literatur verfolge lart pour lart ou lart pour la vie. Die Sowjets von Nghe Tinh 26 waren Anfang der dreiiger Jahre nie- dergeschlagen worden, Tausende vietnamesischer Aktivisten saen im Gefngnis, und die relative Lockerung der Zensur whrend der Volksfront-Regierung (in Paris) trugen zu einem Klima bei, in dem Schriftsteller sich mehr denn je mit Fragen der politischen Zukunft Vietnams beschftigten und lernten, sich klar zu entscheiden. Wenn wir Hai Trieu aus heutiger Sicht ein wenig leichtfertig als Vorkmpfer des sozialistischen Rea- lismus betrachten, so sollte nicht vergessen werden, da die direkte politische Konfron- tation (mit Frankreich, mit der konfuzianischen Sozialstruktur usw.) damals keine Aussicht auf Erfolg besa und es fr Intellektuelle berlebensnotwendig geworden war, sich nicht auerhalb jedes sozialen und politischen Bezugrahmens zu stellen, sondern zu versuchen, durch einen von ihnen zu wirken. Insofern hat diese Debatte fr vietnamesi- sche Intellektuelle auch heute noch enormen Referenzwert, denn von nun an betrachtete sich die vietnamesische Literatur nicht mehr als isoliert und alleinstehend im Kampf um knstlerische Darstellungsformen und politische Vernderungen, sondern nahm Bezug auf parallele Diskurse im Ausland und begann zum ersten Mal, starkem ideenge- schichtlichen Einflu nichtchinesischen (in diesem Fall franzsischen) Ursprungs aus- gesetzt zu sein, was allerdings nicht bedeutete, da man franzsische Texte und ihre sozialen Bezge und Anliegen nicht doch ber den Umweg chinesischer oder russischer Vermittlung verarbeitete 27 : Hai Trieu bemhte 1935 Hugo, Dostojewski und Rolland, um zu verdeutlichen, da Kunst um der Kunst willen brgerlich, antifortschrittlich und dekadent sei, da sie nur in Zeiten wirtschaftlicher und politischer Krise zur Blte gera- ten knne, und zitierte gleichzeitig Guo Moruo Prsident der chinesischen Akademie der Wissenschaften von 1950 bis 1978, Autor des ersten marxistisch orientierten Buchs ber ltere chinesische Geschichte und ein Pionier der Entwicklung der chinesischen per definitionem nur um des Lebens willen (lart pour la vie) existiere. 28 So wie im gegenwrtigen Vietnam, gab es auch damals unbeteiligte Zuschauer, und wenn dies Mitglieder der TLVD-Gruppe (s.o.) waren, so ist dies in jedem Fall erwh- nenswert, da es Gegenwartsautoren ermglicht und einige tun dies explizit - sich auf einen der aktivsten Literaturzirkel in der vietnamesischen Geschichte zu berufen, ohne sich fr konkrete Handlungen in der Gegenwart entscheiden zu mssen. Ein kurzer Kommentar der TLVD zu den damaligen Ereignissen, laut letzten Meldungen sind die Herren Hoi Thanh, Hai Trieu usw. noch immer damit beschftigt, sich die Kpfe unten Kunst-um-der-Schiemichtot-willen-Loch einzuhmmern 29 , veranlate einen jun- gen Schriftsteller letzten Sommer zu der Bemerkung, heutzutage gleiche die National- versammlung jenem Loch, in dem besinnungslos aufeinander eingehmmert werde, whrend das ZK es gegraben habe und selbstredend dafr sorge, da nichts dabei her- auskommt. 30 Nguyen Hongs kultuviertes, unmaskiertes Selbst in seiner Autobiographie von 1938 stellt einen entscheidenden Schritt der Nutzbarmachung individualistisch verarbeiteter Themen in der vietnamesischen Literatur dar; von Dickens Stil der psychologischen Auslotung jugendlicher Gefhle inspiriert, verarbeitet Hong diese Einflsse zur Dar- stellung des Einzelnen in seiner Entscheidungsvielfalt; wie die Lockharts bemerkten, handelt es sich hierbei um defining the international context for a democratic nationalsocial sense of awareness. 31 Die im Westen auf Augustinus und Rousseau 32 zurckge- hende Bekenntnisliteratur, der auch Hong verpflichtet ist, hatte sich hier zu einer ber das Interesse an der eigenen Person hinausgehenden Studie ber sozialen Wandel im Laufe der wenigen Jahre des Erwachsenwerdens verdichtet, die vor allem eines be- wirkte: ein strkeres Bewutsein des Selbst. Cao Van Chanhs Verlangen nach einem Knstler, der seinem Publikum eine Perspekti- ve zu geben habe und dies nur knne, wenn er sich denselben Lebensbedingungen wie letzteres aussetze 33 , mag fr einen Europer als kalter Kaffee durchgehen, da derartige Forderungen bereits bei Dickens und Zola auftauchen, doch in Vietnam gab es keine littrature engage, die auf vergleichbare Traditionen zurckgreifen konnte. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts empfingen die Vietnamesen fast ihren gesamten knstleri- schen Stimulus aus der chinesischen Form- und Stilgeschichte, wo sie whrend der letzten Jahrhunderte (seit der Tang) an konfuzianische Normen gebunden waren (in Vietnam ab der L). Um diese literarisch kritisch zu beurteilen, bedurfte es dessen, was Hu Shih 1916 in einem Brief an Zhen Duxui als nicht weniger denn eine literarische Revolution bezeichnete. 34 Die Vorstellungen derjenigen, die in der Kunst eine politische Kraft sahen, lehnten sich stark an das Konzept des sozialistischen Realismus an, der seit Mitte der dreiiger Jahre zur verbindlichen Norm der Literaturgestaltung in der Sowjetunion geworden war 35 , nachdem Gorki bereits 1906 (Die Mutter) einen ideologisch konzipierten Roman vor- gelegt hatte und mit seinem Konzept der hyperbolischen Reprsentation des Wn- schenswerten eine der Grundlagen fr sptere sozialistische Versuche, eine ideologisch idealisierte Darstellungsweise der Wirklichkeit zu rechtfertigen, geliefert hatte. 1921 von Lenin ins Exil gejagt, wurde er nach seiner Rckkehr zehn Jahre spter zum Vor- reiter der Kanonisierung des sozialistischen Realismus. Dieser verlangt, da der Autor ein dialektischer Materialist sei und sozialistische Realitt im Sinne des Proletariats reflektiere. Nach der Auflsung des Allunionskongresses der Sowjetschrifsteller steht Gorki dem Ersten Literarischen Kongre vor, der den sozialistischen Realismus kodifi- ziert und Schdanow den Tod der objektiven Realitt verknden lt. Stand Hai Trieu fr die bernahme wichtiger Elemente des sozialistischen Realismus, so gebar sich Hoi Thanh als Verfechter einer Kunstautonomie, die weit ber Plecha- nows autonome Sphre innerhalb des sozialistischen Kulturbetriebs hinausging. 36 Wie Trieu, Son und andere rekurrierte er ebenfalls auf auslndische Modelle, um die Diskus- sionssphre innerhalb der vietnamesischen Literaturkritik auszuweiten und fremde Referenzrahmens nutzbar zu machen in diesem Falle Gides Ablehnung der proletarischen Gesinnungsliteratur, der aus dessen Sicht kein bleibender knstlerischer Wert zukam. 37 Interessanterweise kann hier eine Verein- nahmung auslndischer Diskursvorbilder von beiden Seiten der Lokaldebatte festge- stellt werden, da Gides Ablehnung einem Brief an den Ersten Internationalen Schrift- stellerkongre zur Verteidigung der Kultur in Paris (1935) entstammt. Dieser Kongre erregte einiges Aufsehen in Vietnam, da Gide eher dem sozialistischen Lager zugerech- net und von nahezu allen in Vietnam fr ihre Belange zitiert wurde. Es sollte nicht ver- gessen werden, da die Rezeption entlehnter Vorbilder kulturelle Filter durchluft, wel- che die Wahrnehmung verndern und das Ergebnis verzerren. Auf Umwegen ber Mos- kau und Peking gelangten jedes Mal unterschiedliche Bilder ins Protektorat 38 , und selbst der direkte Weg zurck - ber Rckkehrer aus dem Exil - garantierte keinesfalls getreue Wiedergabe der ursprnglichen Anliegen europischer Diskussionen oder deren Hinter- grund. Was bersehen wurde, war, da Gides pseudolinkes Gehabe pragmatischen Hintergrund (Bollwerk gegen den Faschismus) hatte:...je vous en prie, si je suis marxi- ste, laissez moi ltre sans le savoir 39 Was ihn wirklich interessierte, war er selbst und seine Berufung: Le chose laquelle je tiens le plus, cest mon art. 40 Und er war nicht der einzige. Franzsische Intellektuelle verfolgten die Ereignisse in der Sowjetunion genau, doch die vietnamesischen Diskussionsbeitrge reflektierten dies eher verzerrt. Trotzdem entschied sich Hai Trieu ungeachtet Gides Lagerwechselgrnde dafr, ihn fortan zu ignorieren, und Gides Nachwort zum Bericht seiner Reise in die Sowjetunion fand keinen Niederschlag in Vietnam, obwohl dies einer der Wendepunkte im politi- schen Denken eines der Vorbilder fr engagiertes Verhalten eines Intellektuellen war. 41

Wie wichtig diese Auseinandersetzungen fr die Rolle des Knstlers und Intellektuellen in der vietnamesischen Gesellschaft war und darin liegt einer der Grnde, weshalb sie immer noch als exemplarisch gilt und ihre Bedeutung fr heutige vietnamesische Knstler und Intellektuelle keinesfalls geringzuschtzen ist belegt der Umstand, da die sich ursprnglich an sozialen Fragen entzndende (TLVD-Gruppe) und politische Aspekte thematisierende (Hai Trieu, Hoi Thanh, Luu Trong Lu 1935/1936) Debatte Ende der dreiiger Jahre in eine Diskussion ber die Neudefinierung der vietnamesi- schen Kultur mndete. Doch auch hier erlebte Vietnam dasselbe Problem, das den Kulturdiskurs der neunziger Jahre bestimmte: Entlehnte Diskurse, kopierte Konzepte, Versuch der Bewahrung lokaler Ausdrucksformen bei gleichzeitiger Zurckweisung anachronistischer Elemente der eigenen Kultur, vorsichtige und beizeiten willkrliche Auswahl bei der Anlehnung an Modelle, die verschiedenartigen Umfeldern entnommen wurden sowie vllige Orientierungslosigkeit angesichts der Vernderung des politi- schen Umfelds. Als Le Quang Loc seine Landsleute zur Errichtung des Fundaments einer neuartigen vietnamesischen Kultur anhielt, behauptete er zwar, sowjetische Schriftsteller seien sich keiner Freiheiten mehr bewut, hielt ihnen jedoch ausgerechnet Maxim Gorki als Mo- dell vor, da er als gleichzeitig national und global gesinnt galt 42 - dieser Verweis allein bezeugt die eher arbitrre Verwendung diskursiver Referenzpunkte, denn ausgerechnet Gorki hat eben keine mikrokosmische Erzhlung, die als zeitlos, sine locus und doch ubiquitr, daher frei bertragbar gelten knnte, produziert, so da man tatschlich von 43 Daneben fiel es kaum noch auf, da die Kunst-um- der-Kunst-willen-Debatte im literarischen Symbolismus des 19. Jahrhunderts (Tho- phile Gautier) verankert war, stark eskapistische Untertne hatte und da dies in Viet- nam nie zur Sprache kam (derartige Verzerrungen gab es allerdings auch in China, wo sich die Kunst-um-der-Kunst-willen-Debatte eher als Abbild persnlichen Streits der Protagonisten abspielte 44 ). Interessanter ist Luu Trong Lus Behauptung, Vietnam habe bislang berwiegend chine- sische Modelle rtlich verndert, sei nun dabei, dasselbe mit Frankreich zu tun und habe sich nie um die Entstehung eigener Modelle gekmmert. Gehe das so weiter, verliere das Land seine kulturelle Kraft, von der dann nur noch die Sitten und Gebruche brig blieben. 45 Dies war eine deutliche Abkehr von frheren Argumentationslinien, auch wenn sie eher einen kulturellen Reflex denn die Ausarbeitung einer Alternative darstellt. Der Ton der Debatte ist kaum verschieden von heutigen Diskussionen um auslndische Einflsse (man denke an den Nachholbedarf nach der ffnung) und unterscheidet sich recht wenig in der Vorgehensweise ein Dossier der Kulturbehrde von 1998 spricht ebenfalls von einer schleichenden Desorientierung angesichts der zunehmenden Str- mungen auslndischen literarischen Gedankenguts und wirft den Kunst- und Kulturschaffenden indirekt vor, sich nicht ausreichend auf eigene Werte zu verlassen. 46 Ob- gleich dies an typische Abwehrreaktionen derjenigen, die das kulturelle Leben bestim- men und steuern, erinnert, hatte sich das Thema (der kulturellen Autonomie, ob natio- nal, kollektiv oder individualistisch definiert) nicht gewandelt. Dieses kulturelle Unbe- hagen spielt nach wie vor eine groe Rolle, insbesondere, da man derzeit von einem weiteren auslndischen Modell, dem sozialistischen Kulturkanon, Abschied nimmt. Als dieser Kanon entstand, wies er den vietnamesischen Intellektuellen eine klare Richtung: 1948 hatte KPV-Politbromitglied (und spterer Generalsekretr) Truong Chinh die offizielle Parteilinie als Thesen ber Marxismus und vietnamesische Kultur herausgegeben, die auf den Beschlssen der Indochinesischen Kommunistischen Partei von 1943 futen. 47 Da Vietnam damals noch franzsich besetzt war, spielte das Werk eine wichtige Rolle fr diejenigen Intellektuellen, die sich entweder bereits in den be- freiten Gebieten des Viet Bac (an der Grenze zu China) befanden oder dabei waren, sich auf den Weg dorthin zu machen. Das Buch wendet u.a. die Massenlinie auf die Literatur an und verlangt eine Kontrolle alles kulturellen Schaffens durch die Mas- sen 48 , in welche smtliche Kunstprodukte einzudringen und aufzugehen htten. Dies war vorerst das Ende aller Diskussionen gut zwei Jahrzehnte nach Erscheinen des ersten modernen Romans wurde die Kunst zum Diener (des Volks) im Kampf gegen die stolze Kolonialmacht, die gerade aus ihrer eigenen kulturellen Versenkung whrend der deutschen Besatzung erstanden war. Zuvor galt der Bereich des knstleri- schen Schaffens als autonome Sphre, und smtliche Werke vor 1954, als Vietnam un- abhngig wurde, entstanden vor diesem Hintergrund. Der sozialistische Realismus be- stritt diese Form der Unabhngigkeit und gestand der Kunst keinen Wert an sich zu. Gerade Versuche, sozialistischen Realismus als eine nicht von sthetischen Gesichts- punkten geleitete Kunstform zu definieren 49 , mssen sich die Frage gefallen lassen, wie heutige Knstler unter nicht-sthetischen Gesichtspunkten produzieren sollen. Der von Cao Van Chanh, Hai Trieu und anderen zuerst beschriebene Weg endete in der Funktio- nalisierung des Knstlers, dessen Autonomie von verschiedenen Schichten kultureller Zustndigkeitsbereiche der politischen Verwaltung vereinnahmt wurde, die allesamt in den Schaffensproze eingriffen, so da im Falle der Schriftsteller am Ende des Redigie- rens, berarbeitens, Korrigierens, Streichens und Neufassens ganzer Abschnitte ein wahrhaft kollektives Werk stand. Die Situation heute I Das Ideal des sozialistischen Menschen, erinnern wir uns, ist das einer Konstante, wel- che auch in der Kunst einem sthetischen Ideal entspricht, das sich schwertut, alles Va- riable unter einen Hut zu bringen, da es die knstlerischen Ausdrucksformen zu bn- deln, zu konzentrieren sucht, um sie einem Wunschbild nherzubringen welches sich paradoxerweise an der Realitt (des Produktionsprozesses) ausrichten soll. Demnach steht nicht die Abbildung einer mannigfaltigen menschlichen Existenz (und deren Ausdruck im Kunstwerk) im Vordergrund, sondern die Schaffung eines Kunstwerks, das einem zeitlosen sthetischen Endpunkt entspricht, der in der Ewigkeit liegt und in dem die in sich vollkommene Abbildung des Menschen in seiner sozialistischen Lebensrea- litt erreicht ist. Der innerhalb der auch heute noch in Vietnam herrschenden Kulturor- thodoxie verschrienen Abbildung einer irrealen Gestalt, die jedoch funktional (z.B. in ihrem Bewegungsablauf) richtig ist und in gewissem Sinne tatschlich existiert, wird die Gestalt eines realen, letztlich jedoch nur potentiellen Krpers, ohne die eigentli- chen Funktionen desselben, gegenbergestellt. Real deshalb, weil (z.B. in den Soldaten- bildern der sechziger Jahre) die Abbildung einem Bild oder einer Vorstellung ent- spricht; potentiell, weil diese Vorstellung keinen bildlich-funktionalen Charakter be- sitzt, der die Realitt imitiert, sondern einen idealisierten, der sie mystifiziert. Die Wahrnehmungsrealitt des Knstlers bleibt zwar nach wie vor eine autonome Sphre, doch ist ihre Veruerungsmglichkeit bereits festgelegt. Insofern erinnert die Verfah- rensweise des vietnamesischen Kulturbetriebs bis in die neunziger Jahre (und in ihren theoretischen Prmissen darber hinaus) an die mittelalterliche Auffassung 50 einer na- hezu ausschlielich symbolisch gehaltenen Verklrung, deren Zweck darin besteht, dem Publikum einen utopischen Zustand nahezubringen, nicht jedoch, ihm die Innenwelt eines zerrissenen Individuums vorzufhren oder simultane Perspektivenberlagerung zu reprsentieren. Abgeleitet aus dem brgerlichen Ideal der Erbauung, das aus reiner An- schauung entsteht und den Betrachter/Leser innerlich erhebt, fixiert der sozialistische Kulturbetrieb ein Nirvana des sozialen Realismus, das notwendigerweise potentiell bleibt, da es einen Idealzustand beschreibt, der wie das tatschliche Nirvana lediglich umkreist, symbolisch ausgedrckt, nie jedoch beim Namen genannt werden, d.h. funk- tional logisch dargestellt werden kann. Was im Buddhismus Blasphemie gleichkme, entsprche demzufolge im sozialistischen Realismus der Negierung des Ideals. Wie Guevara 1965 optimistisch verkndete, [d]ie Chancen, da auergewhnliche Knstler auftauchen, werden desto grer sein, je weiter sich das Feld der Kultur und der Ausdruckmglichkeiten ausdehnen? 51 Doch nur, weil den Va- riationsmglichkeiten innerhalb der abgesteckten Ttigkeitsfelder keine Schranken ge- setzt waren und vietnamesische Knstler unter der Voraussetzung, da sie Sinn und Zweck ihrer Produktion bereits verinnerlicht hatten, letztere unendlich variiert vorfh- ren konnten, so wie karolingische Knstler endlos variiert biblische Motive verarbeite- ten, deren rein symbolhafte Darstellungsform jedoch die Entwicklung der Plastizitt, Tiefenschrfe, Relation usw. behinderte (die dann erst in der Frhrenaissance auftauch- ten). Im Netz der orthodoxen Kanonisierung gefangen, ist es fr vietnamesische Knstler nicht immer ganz einfach, sich die bekannten Ausdrucksmglichkeiten der Vergangen- heit zurckzuerobern und einen Beitrag zur Herausbildung neuer Formen der Gestal- tung, welche auf die Aufweichung unantastbarer Dogmen zielen, zu leisten. Da die Auseinandersetzung mit Restriktionen eine wesentliche Rolle fr fast jeden von ihnen spielt, zeigte sich bei mehreren Treffen im Sommer 2000: Eine Gruppe junger Knstler sitzt sptabends im Hinterzimmer eines Galeriebesitzers zusammen und plaudert wie selbstverstndlich ber die Vernderungen der gegenwrtigen Kunstszene, was vor al- lem eine Diskussion der sich verndernden Reaktionen des Staates auf die Impulse eben jener Bewegung ist. Die Form, unter welcher der Staat das Gesprch durchdringt, ist die Kulturbehrde (so? vn ha). Vergleichbar mit einem Kultusministerium, das Bereiche wie Schulbuchpolitik u.. an das Ministerium fr Erziehung und Ausbil- dung' abgegeben hat, fllt ihr Name innerhalb einer Stunde mindestens zweidutzendmal. Als Tu'o'ng Tn zu Beginn der neunziger Jahre damit begann, ganze Gruppen von Bil- dern, die nur mnnliche Geschlechtsteile zeigten, auszustellen, dauerte es wenige Tage, bis die Ausstellung von der Kulturbehrde gesprengt wurde. Ein Jahr spter versuchte man es mit Bildern weiblicher Geschlechtsteile, und nach einer Woche war auch diese Ausstellung zu Ende. Das Ergebnis war, da im Laufe der folgenden Monate eine ganze Reihe vietnamesischer Knstler hnliche Bilder vereinzelt in ihre Ausstellungen mitaufnahmen, ohne jedoch belstigt zu werden. Hie das, da man von nun an frei whlen konnte, ohne sich ber kulturikonoklastische Wirkungen Gedanken machen zu mssen? Ungefhr ein halbes Jahr darauf war wieder einmal Schlu mit allen Versuchen, seinen Ideen freien Lauf zu lassen. Begrndet wur- de das neuerliche Ausstellungsverbot mit Angriff auf das gesunde Keine der von Tru''ng Chinh aufgestellten Forderungen spielte hierbei eine Rolle, und ob das Empfinden des vietnamesischen Volkes von diesen Ausstellungen viel mitbe- kommen hatte, darf bezweifelt werden. Gleichzeitig konnte man hier und da auch wei- terhin unverhohlene Zurschaustellungen intimer Krperteile sehen, wenn auch nicht in demselben Ausma wie zuvor. Offenbar gab es keine einheitliche Linie seitens der Kulturbehrde, und keiner der fhrenden vietnamesischen Politiker hat in den letzten Jahren umfangreichere theoretische Ausfhrungen hierzu verlauten lassen, und so ist bis Tu'o'ng Tn wirklich verndert hat, ob er gleich Yves Klein eine flchtig vorberziehende Modeerscheinung war oder ob er eine Bresche geschla- gen hat denn die Antwort derjenigen, die den Rahmen fr knstlerische Diskurse set- zen, war Schweigen. Ihr mitunter erratisches Handeln sollte nicht mit offizieller Reakti- on verwechselt werden, da sie in erster Linie ausfhrendes Organ sind und sich allem Anschein nach auf weithin unbekanntem Gelnde bewegen, wobei es durchaus vor- kommen kann, da dem einen Knstler das gestattet wird, was dem anderen untersagt bleibt. Um diesen Punkt zu illustrieren, sei darauf verwiesen, da 1999 zwei junge Knstler mehrere Baum- und Steingruppen im Hanoier Literaturtempel mit Klopapier umwik- kelten, sich selbst an die Bume und Steine ketteten und mit Schweineblut bespritzten. performance) verlief ungestrt ber mehrere Tage, doch bekam einer der beiden hinterher Ausstellungsverbot. Da dies nicht vorher geschah, hngt offenbar damit zusammen, da die Reaktion whrend der Auffhrung pures Unverstndnis war. 52 So wie man anderswo Volker Braun gewhren lie, weil den sowieso keiner versteht, war die Kulturbehrde auch hier berfordert, da sie einerseits keinen unmittelbaren Grund zum Eingreifen sah, andererseits jedoch keine Wiederholung hnlicher Ereignis- se wnschte - was soviel bedeutet wie, da sie nicht wute, weshalb sie eingreifen soll- te, es andererseits auch nicht zu wissen brauchte, da sie jederzeit grundlos einschreiten kann

Das Ereignis an sich war denkbar geeignet, heftige Reaktionen hervorzurufen. Zwar ist der Literaturtempel Konfuzius geweiht und stellt sich insbesondere chinesischen Besu- chern als Besttigung der kulturimperialen Ausstrahlung ihres Landes dar, doch ist die 1076 unter L a.o Thnh gegrndete Unterrichtsanstalt zur Unterweisung zuknftiger Staatsbeamte in den chinesischen Klassikern gleichzeitig der Vorlufer der modernen vietnamesischen Universitten und ein Ort der Ehrfurcht vor den Leistungen der eige- nen Kultur. Ihn zu entweihen, seinen sakralen Radius zu durchschneiden und ffent- lich zu reinterpretieren, konnte jederzeit als kulturikonoklastischer Akt gewertet wer- den, auch wenn dieses Wort nicht genau gewhlt ist, da das Verbot religiser Kunst in der christlich-orthodoxen Kirche ab Mitte des 8. Jahrhunderts (durch die Bilderstr- mer) die Verbannung knstlerischer Gestaltung aus sakralen Rumen beschlo und es sich hier um gegen die Statuen des Konfuzius, Menzius usw. konkurrierende Kunst handelt, die dennoch dazu aufforderte, einen musealen Park neu zu begehen. Die Aktion invalidierte die historisch gewachsene Bestimmung des Orts, verlangte nach einer ande- ren Form des Betrachtens, bei der den Zuschauern eine weitaus grere Eigenleistung abverlangt war, um sich dem Werk zu nhern. Was gezeigt wurde, war zunchst zu- sammenhanglos, da dieser Zusammenhang erst durch den Betrachter gestiftet wurde der Ort gab ihn nicht vor - und ihn irritierte, da er sich auf ein Zwiegesprch mit dieser neuartigen Konfrontation einlassen mute. Insofern haben die Knstler einen Einbruch in das System staatlich besetzter Interpretation erwirkt, denn dieser hlt das interpretato- rische Kulturmonopol auf den Literaturtempel. Gleichzeitig erzeugte dieser Einschnitt in den sanktionierten Kulturdiskurs Formen der Theorie, welche die Gleichfrmigkeit der sozialistischen Kulturteleologie mit ihren bekannten Endzwecken temporr auer Kraft setzten. Der wichtigste Punkt drfte sein, da der Abbildfanatismus des Realis- mus, der sich auf eine puristische Form der Wiedergabe sttzt und keine Verschiebung des offiziellen Kunstdiskurses durch die Herausforderung zu andersartigen Interpreta- tionen qua individueller Anschauung zult, sondern im Gegenteil auf passiven Bestti- gungskonsum seitens des Betrachters zhlt, auer Kraft gesetzt wurde. Es ist, als htten die beiden Knstler einen der groen Verrter des orthodoxen Marxismus- Leninismus, Leo Trotzki, beim Wort genommen (Die Methoden des Marxismus sind nicht Methoden der Kunst; Kunst ist nicht das Feld, wo die Partei zu kommandieren 53 ). Keine der vier tragenden Sulen des sozialistischen Realismus (narodnost, klassovost, ideinost, partiinost 54 ) war in diesem Werk prsent. Es stellt, wie so viele andere Aktionen vietnamesischer Knstler in den neunziger Jahren, das Ge- genteil Engels These, da der Knstler sich in einem sozialen Medium sui generis bewegt, in welchem Gesetze magebend sind, die mit den psychologischen Motiven, die ihn beherrschen, strukturell nichts zu tun haben 55 , dar. Da Frontalkonfrontationen der Bevlkerung mit Kunst gerade dort, wo man sie nicht vermutet, mitunter heftige Reaktionen hervorrufen kann, ist nichts Neues, und somit relativiert sich auch das Verhalten der Kulturbehrde, die erst gewhren lie und dann einschritt. Wir glauben hier den Staat und nur den Staat handeln zu sehen, doch bezeugt bereits ein beliebiges Gegenbeispiel ffentlicher Auseinandersetzung im Westen, da derartige Verfahren auch hier in erster Linie parteipolitisch motiviert sind. Als das Landgericht Bielefeld im Februar 2001 die Stadt Minden befugte, Hagebllings Skulp- tur Keil-Stck aus der Innenstadt zu entfernen, stand diese Entscheidung am Ende einer ber zehnjhrigen konservativen Kampagne. 56 Die eigentliche Schnittstelle fr einheitliches Handeln seitens des Staates scheint die Berhrung klar umrissener Sphren zu sein, in denen kodifiziertes Verhalten entweder vorgeschrieben oder zumindest aus dem orthodoxen Kanon herauslesbar ist. Wer in einer Kneipe laut hrbar die Vergehen der KPV aufzhlt, bekommt rger, und wer f- fentlich auf die Nationalflagge uriniert, wird hingerichtet. Wer jedoch die Tradition an- greift, ohne diesen Angriff mit der Sprache der Orthodoxie oder ihrer ausgemachten Gegner zu fhren oder ohne ihn gezielt vorzutragen, stellt die Hter dieser Tradition vor ein Rtsel, denn erst jetzt zeigt sich, da diese Tradition ein Phnix ist, ebenso unfabar und ungreifbar wie letzterer. Das war nicht immer so, und die Tatsache, da das so ist, verwirrt die im Vernderungsproze gefangenen Akteure auf beiden Seiten. Um auf das Gesprch zurckzukommen, so wurde bezeichnenderweise bei jeder Erwhnung einer bekannten Bewegung etwa dem abstrakten Expressionismus darber spekuliert, was wohl geschhe, wenn einer der Gesprchsteilnehmer im Stile Pollocks oder de Koonings auftrte, denn hierbei handelte es sich keineswegs um klassische Opposition, sondern Entwicklung einer Stilrichtung. Man war sich einig, da der Versuch unter- nommen wrde, derartige Erscheinungen politisch zu definieren, um sie einzugrenzen und anzugreifen. Genau das jedoch war in den oben besprochenen Fllen nicht gesche- hen. Knstler, die bereits einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht haben oder Bezie- hungen zum Innenministerium besitzen, knnen sich deutlich ungehinderter bewegen als andere, so da der Eindruck entsteht, alles hnge davon ab, wie gro der Einzelne seinen Bewegungsfreiraum einschtzt und wie weit er zu gehen knnen glaubt. Tat- schlich ist auch das ein Trugschlu, denn es kam in der Vergangenheit immer wieder zu willkrlichen Repressalien gegen Einzelne, entweder um sie als Symbol einer tempo- rr dergestalt definierten verbotenen Sphre herauszustellen, oder weil sich der Einflu Der Grund fr die fehlende Linientreue der Kulturbehrde ist, da es keine Linie gibt, Truong Chinhs Kanon ist berholt, er wirkt lediglich noch in einer Vietnams konservativster Institutionen, dem Schriftstellerverband, nach und selbst hier beginnt man von der Tradition Abstand zu nehmen, verlt sich immer we- niger auf eine gleichsam religise Erkenntnis der Offenbarung, die zu einem verzckten Zustand des Einsseins mit der Wahrheit fhrt. Als derjenige der beiden Knstler, die nach der Klopapieraktion mit Ausstellungsverbot belegt wurden, von einem auslndischen Kulturinstitut eingeladen wurde, in dessen Rumen auszustellen, trat die Kulturbehrde umgehend in Aktion, so da lediglich die Prsenz des Botschafters einen Abbruch verhinderte. Dieser mute sich jedoch eine Weile frei nehmen, um Wache zu schieben, da das einheimische Personal der Kulturbe- hrde kaum den Zutritt verweigern konnte. Dieses Ereignis ist insofern bemerkenswert, als es sich um eine forcierte nderung der Sprechrichtung des Knstlers handelt: Konnte er zuvor die gesamte hauptstdtische Be- 56 FAZ, 12.2.01 vlkerung durch die unmittelbare Auseinandersetzung mit seinem Werk (im Literatur- tempel) ansprechen, so war er nunmehr gezwungen, den Adressaten zu ndern und le- diglich vor einer kleineren Anzahl Besucher auszustellen. Zwar blieb dieser Anzahl nach wie vor das eigentliche Erlebnis innerer Kunstanschauung gewhrt, nmlich das Erlebnis der Schnheit (so wie der Idealismus sie definierte): Es kann keine objektive Geschmacksregel, welche durch Begriffe bestimmte, was schn sei, geben. Denn alles Urteil aus dieser Quelle ist sthetisch. ... Hieraus folgt aber, da das hchste Muster, das Urbild des Geschmacks, eine bloe Idee sei, die jeder in sich selbst hervorbringen mu.... Schn ist das, was in der bloen Beurteilung (also nicht vermittels der Empfin- dung des Sinnes nach einem Begriffe des Verstandes) gefllt. 57 Doch hatte sich dieser Kreis erheblich reduziert und lief Gefahr, sich vollstndig vom Werk des Knstlers zu trennen, falls dieser auch aus Rumen, die fremdlndischem Hoheitsgebiet unterstan- den, verschwand. Dies ist ein nachgerade klassischer Fall schrittweiser Einkreisung des Kulturschaffenden, der sein Publikum verliert wie ein exilierter Dichter seine sprachli- che Heimat. Er kann nun keine selbstbewuten Zitate mehr unter die ffentlichkeit bringen (wie mit den Klorollen im Literaturtempel, die auf Gebrauchsgegenstand qua Verpackung wie bei Christo sowie auf Abfall qua Produktberflu, auf krperliche Entsorgung qua Abgeflltheit wie bei Warhol und Oldenburg weisen 58 ). Als einer der beiden mit Bezug auf Andr Malraux erklrte, die Freiheit des Knstlers sei tat- schlich nicht die, alles mgliche machen zu knnen, sondern nur das, was er wolle und zwar im Einklang mit seiner Umgebung, sprich: der Gesellschaft 59 , stellte er au- genblicklich klar, da gerade dieser Einklang fehle, gefehlt habe und vermutlich noch eine Weile fehlen werde, da es keine direkte Auseinandersetzung zwischen Knstler und Gesellschaft gebe, sondern ausschlielich gesteuerte, kanalisierte und organisierte Verbindungsformen zwischen beiden. Da smtliche Verbindungsformen der KPV un- terstnden, sei man darauf angewiesen, innerhalb des dominanten Kunstdiskurses wie vage dieser derzeit auch gehalten sein mge Flstertone und Zwischenrufe zu er- finden, um sich zu verstndigen. 60

Die Situation heute II Gesprche mit Knstlern und Intellektuellen in Hanoi im Sommer 2000 hinterlieen den Eindruck einer abgeschlossenen, durch selektive Wahrnehmung getrbten Welt, die sich als zweierlei empfindet eine Gegen- und eine vergessene Welt. Erstere sieht sich als Gegenpol ossifizierter Strukturen, wobei dies eher fr soziale als politische gilt. Das Verlangen, die eigenen Interessen und Vorstellungen auszuleben, bringt diese Men- schen immer wieder zusammen, entfernt sie jedoch gleichzeitig voneinander, da sie einzig durch uere Umstnde in erster Linie Arbeitsbedingungen, Marktzugang und Publikumswirkung - zueinander finden, whrend sie sich im Heimatexil befinden. Letztere definiert sich hauptschlich ber ein Gefhl des Stillstands, der knstlerischen und geistigen Extraterritorialitt, wobei sie sich auf der Spielwiese, die ihnen zugewie- sen wurde, nur schwer zurechtfinden und oft nicht wissen, ob dieser Sandkasten nun ein politikfreier Raum ist, in dem sich gefllige Burgen bauen lassen oder ob die Partei da- von ausgeht, da sie die nchste Aktionskampagne der Kulturbehrde wieder auf den Ausgangspunkt zurckwirft, so wie jede Flutwelle der feingliedrigen und mhsamen Aktionswut der Strandkrabben ein Ende bereitet. Whrend die meisten Intellektuellen aufgrund ihrer Kenntnis der ostasiatischen Geistes- geschichte eine tiefergreifende Skepsis hinsichtlich sozialer Vernderungen an den Tag legen, so kommt ihnen eben diese Kenntnis hinsichtlich der Auswahl eigener Refugien eher zugute. Immer wieder wird auf die verschiedenen Optionen, die einem geistig wa- chen Menschen zur Verfgung stehen, hingewiesen, um zu betonen, da man sich nicht notwendigerweise zu engagieren habe, sondern da genauso- gut eigneten, um sich politischem Druck zu entziehen. Bekanntlich ist der Rckzug des Gelehrten - ob temporr, um seine Wunden zu lecken, oder definitiv, um sein Glck losgelst von den Zwngen des monarchischen Alltags in unmittelbarer Anschauung rekurrierendes Thema ostasiatischer Geistesgeschichte, und in Vietnam mangelt es ebensowenig an Vorbildern fr derartiges Verhalten wie in ande- ren konfuzianischen Lndern. Einer, der diesen Weg, zumindest fr den Augenblick, eingeschlagen hat, ist Bao Ninh. Sein Anfang der neunziger Jahre erschienener Erleb- nisbericht ber seine Zeit an der Front er war einer von zwei berlebenden einer Eli- tejugendbrigade war so schnell vergriffen, da man ihn nicht mehr zu verbieten brauchte. 61 Zwar gab es noch eine Neuauflage unter anderem Titel 62 , doch danach war Bao Ninh lngere Zeit harscher Kritik ausgesetzt, so da er erst einmal nichts mehr ver- ffentlichte. Sein Fall ist deshalb interessant, weil es hier einem Schriftsteller darum ging, auch nach dem Krieg persnliche Integritt und Authentizitt zu wahren, was an- gesichts der Art und Weise, wie der Krieg offiziell rezipiert, katalogisiert und instru- mentalisiert wurde, nicht einfach war. Da es sich hierbei auch um den Versuch han- delte, die Diskussion ber Vietnams gegenwrtige Situation auszuweiten, versteht sich von selbst 63 , denn sollte das Land tatschlich weiter auf Integrationskurs innerhalb Sd- ostasiens bleiben, so wird sich die Art, wie ber die Vergangenheit gesprochen wird, Gleichzeitig ist seine Haltung nicht mit resignierendem Schweigen zu verwechseln. Er glaubt, alles getan zu haben, was in seiner Macht stand, indem er alles gesagt hat, was ersagen konnte.

Und indem er das Opfer mehrerer Generationen, die ihr individuelles und familires Glck dem Vorteil der KPV hintanstellten, als ein wrdiges, dessen Preis jedoch zu hoch war, darstellte, avancierte er gleichsam ber Nacht zum Sprachrohr je- ner, deren eigenes Leben von den Entbehrungen jener Jahre gezeichnet ist und die den- noch der Ansicht sind, der gegenwrtige Kommerzialisierungstrend fege die erlebte revolutionre Aussage, den Kampf und die Opferbereitschaft, in einer Welle leichtfi- ger Besinnungslosigkeit hinweg. Die Zwiespltigkeit dieser Gruppe, der fast alle Men- schen ber Mitte vierzig im Norden und nochmal ein Drittel so viele im Sden zuzu- rechnen sind, schlgt sich u.a. in der widersprchlichen Sehnsucht nach Erneuerung und Vernderung der Gesellschaft zu ihrem materiellen Wohle (und nur diesem) bei gleich- zeitigem Festhalten an bewhrten Tugenden und Traditionen nieder, waren es doch je- ne, welche ein unabhngiges und geeintes Vietnam hervorbrachten. Darber hinaus ist der alternde Parteiapparat die Quelle einzig verbliebener Anerkennung geworden: Vete- ranentreffen, Ansteck-, Medaillen- und Urkundensammlungen dieser Generation bezeu- gen ungeteilte Aufmerksamkeit der KPV hinsichtlich ihres Einsatzes. Eben jene wird ihr von den Jungen verwehrt, deren Interessen konomisch definiert sind, deren Forde- rungen auf der Hoffnung organischen Wandels fuen und die kaum Zeit fr das Geden- ken bedingungsloser Aufgabe findet. Dem Wissen dieser Generation um ihr unver- meidliches Aussterben hat Bao Ninh einen Teil seiner Sympathien zu verdanken, da er ein literarisches Erinnerungsstck geschaffen hat, das sich nicht stromlinienfrmig in ein unter parteipolitischen Gesichtspunkten organisiertes Museum stellen lt. Zwar trifft man die erwhnte Haltung des Rckzugs, des Refugiums und des Schweigens in nahezu jedem Gesrch mit literarisch Aktiven an, doch ist dies nicht als der groe schweigende Abtritt im Sinne Rimbauds oder Hlderlins zu verstehen, um entweder den Worten die Tat folgen zu lassen oder die eigene Vollendung als umnachtete Verzckung zu erleben im Gegenteil, eine der wichtigsten Erkenntnisse, die aus Gesprchen mit vietnamesischen Schriftstellern gewonnen werden kann, ist der Zustand einer ange- spannten Schwebe, die nach vereinzelt dezidierten Aussagen zu einem zeitweiligen Verstummen gefhrt hat, sich jedoch nicht am Ende ihrer Ausdrucksmglichkeiten empfindet, sondern ob der mangelnden Auseinandersetzung mit ihren Themen verwirrt ist. Wir warten nicht auf Godot, aber wir wollen auch keine Glcklichen Tage, son- dern regelmig sich erneuernde Inspiration, um eine junge Nachwuchsschriftstellerin zu zitieren 64 - wobei diese Inspiration selbstredend aus der offenen Auseinandersetzung mit dem eigenen Werk kommen und sich nicht auf dessen Einordnung in einen zerfal- lenden postkommunistischen Literaturkanon beschrnken sollte. Die Situation heute III Gesprche mit Mitarbeitern des vietnamesischen Innenministeriums: Nicht am Amts- sitz, verborgen hinter Spalieren von Wchtern, Doppelrollen aus Stacheldraht und um- rahmt vom dritten inneren Innenhof, da man eine Viertelstunde bentigt, um hineinzu- kommen, sondern mitten in der Geschftigkeit eines Altstadtcafs bentigt man hier ebenso lang, um die mentale Disposition des Gegenber als Neugierde auszumachen, an allem, was thematisiert wird. hnlich der Verlauf mit Mitgliedern der Nationalver- sammlung: gut informiert, gewandt, hflich und gleichzeitig mitrauisch, skeptisch hin- sichtlich aller Fragen, die auf die Fhigkeit der Bevlkerung, sich zu uern, abzielen.

Die immerwhrend niedrige Volksintelligenz wird genauso gern evoziert wie die Welt voller Feinde, deren Ziel es sei, Vietnams Position auszunutzen, obwohl das Ausland kurioserweise als Bollwerk gegen ebenjenes Volk herangezogen wird, da auslndische Gelder nicht nur in Ausbildungsprogramme und Investitionsprojekte flieen, sondern ebenso in die Fortbildung von Parteikadern, deren nunmehr hufigeres Auftreten auf internationalen Konferenzen ihnen ein vollstndigeres Bild von der historischen Not- wendigkeit der Fhrung des Volkes durch die aufgeklrten Kader der KPV vermittle. Belagerungsmentalitt zurckgreifen zu wollen, ist man offenbar bemht, neue Angriffsobjekte zur Rechtfertigung der eigenen Wachsamkeit zu schaffen genannt wurden in diesem Zusammenhang neben der friedlichen Evolution die Penetrierung des Vietnamesischen durch Anglizismen (bereits mehrfach Opfer kur- zer Sprachreinigungskampagnen), bergroe Neugier einiger Touristen und die Sicht- barwerdung verschiedener gesellschaftlicher bel wie Prostitution. Da Vietnam dringendere Probleme hat (Korruption, Hinterherhinken in der ASEAN), scheint noch nicht durchgedrungen zu sein. Das sei wohl so, heit es immer wieder, doch im Grunde hat niemand hierzu etwas Substantielles zu sagen oder gar eigene Vorstellungen. Ein Thema, das erkennbares Unbehagen auslst, ist die Frage nach der Vernderung der Gesellschaft zwecks nicht ausschlielich materiell definierter Modernisierung. Man scheint berfordert, verweist auf Traditionen, auf imaginre Armutsteufelskreise und Volksintelligenz 65 ), d.h. das kulturelle Niveau, das es nicht erlaube, sich Illusionen raschen sozialen Wandels hinzugeben, weshalb die Politik in erster Linie fr Kontinuitt und Stabilitt zu sorgen habe. Wie rasch der Wandel der Sozialstruktur, der sozialen und politischen Verhltnisse um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts vor sich ging, wird hierbei nicht erwhnt. Da es keinen offenen Diskurs gibt und die ideologischen Bindeglieder der Gesellschaft an Bedeutung verloren haben (da der Alltag nicht mehr von der Politik dominiert wird, das Leben nicht mehr um die Politik kreist und auf die Politik fixiert ist, es keine regelmigen M/L-Studiensitzungen mehr gibt und keine vorgeschriebenen Massendemonstrationen), erweckt die ideologi- sche Leere auch eine sprbare geistige Ausgehltheit so da durch fehlende geistige Eingaben keine deutlich umrissenen Eckpunkte des Denkens mehr festgehalten werden knnen, was ein Dilemma fr unabhngiges Denken und Handeln bedeuten kann. An- gesprochen auf das Arbeitsumfeld der Knstler und Intellektuellen, bekommt man heut- zutage nicht einmal mehr leere Worthlsen, Standardformeln oder ausgelutschte Be- kenntnisse zu hren im Gegenteil. Selbst der Klassenhintergrund des Knst- lers/Intellektuellen, vormals die politische Hauptschlagader im ffentlichen Krper des l li.ch), wird dieser Tage als Bewertungskriterium ver- nachlssigt. Damit verbundene berlegungen wie die Funktion einer bestimmten Klasse im knstlerischen Schaffensproze knnen kaum noch in die Diskussion eingebracht werden, da von ministerieller Seite bedeutet wird, dies sei nicht mehr so wichtig - womit weiland selbstverstndliche Prmissen wie die durch die Arbeiterklasse vollzo- gene Herauslsung der Kunst aus ihrer sozialen Isolation 66 aus dem Gesprch heraus- fallen. Die wenigen und dnnen Bindeglieder, welche das ideologische Netzwerk der Gesell- schaft zur Zeit darstellen, knnen nicht irgendwie anhand irgendwelcher Aktionen durch sinnvollere ersetzt werden. Die Handlung des Einzelnen kann nicht aus ihren Umstnden herausgerissen sein, weshalb diejenige Tat, die den Diskurs beeinflut, steuert oder manipuliert, einen bestimmten Ton treffen mu, der es ermglicht, breite Untersttzung mit Notwendigkeit zu verbinden. Hierbei spielen die letztendlichen Ziele keine primre Rolle, da auch die Erregung ber Verfehlungen leitender Persnlichkeiten zunchst auf diese Verfehlungen zielt, nicht jedoch die Abschaffung der Verwaltungs- position, die jene Persnlichkeit innehatte. Die Schwierigkeit, die sich aus den Steuerungsmechanismen des politischen Diskurses in Vietnam ergibt, besteht nicht in erster Linie aus orthodoxen Ausschlieungsstrategi- en, sondern aus der Initiative von oben. Sie war es, welche alle wesentlichen Vernde- rungen der letzten Jahre hervorgebracht hat und die bestimmt hat, welche auswrtigen Entwicklungen sich wie niederschlugen. Die Ereignisse von Thi Bnh, `ng Nai und jngst im zentralen Hochland sind nicht in die Tagesgesprche der Bevlkerung einge- gangen, sondern wurden dagegen im theoretischen Organ der KPV diskutiert. Nachdem man neben der Pro-Forma-Anhrung Volkes Belange vor allem die Strkung der Par- teiorganisation auf den unteren Ebenen als probates Mittel zur Abfederung etwaiger Nachwehen ausgeguckt (und 2000 Parteimitglieder diszipliniert) hatte 67 , ging man zum politischen Tagesgeschft ber. Dies soll nicht heien, da ein bermchtiger Staat einem schwachen Volke gegenber- stnde - eine Ansicht, die hufig zur Fehleinschtzung nichtdemokratischer Regimes verleitet. Wenn von Initiative von oben die Rede ist, so kann dies nicht bedeuten, die- se sei die einzige ihrer Art. Gerade die Diskussion des geistigen Umfelds vietnamesi- scher Knstler und Intellektueller scheint zu besttigen, da Initiative kein Monopol einiger weniger ist. Der Unterschied ist, da diejenigen Handlungen, die zu sichtbaren politischen Vernderungen fhren, derzeit von oben geplant, koordiniert und durchge- fhrt werden, selbst wenn es sich hierbei lediglich um die Reaktion auf Initiative von unten handeln sollte. Es wre ohnehin angebracht, die Vertikalperspektive aufzugeben und sich das Nachdenken ber Politik eher als eine Ansammlung verschiedenartiger Mengen (gleich Personen, Ideen usw.) mit diversen Inhalten, Mischmengen, ber- schneidungsmengen et cetera vorzustellen. Dennoch berhrt dieser Umstand kaum die Tatsache, da diejenigen, welche entscheiden, ob, wie und wann worauf reagiert wird, zur Fhrungsspitze der KPV gehren. Aktionen einzelner, Unternehmungen mehrerer verndern noch nicht, sie bewegen. Allein die Diskussion um die Korruptionsfrage oder die sozialen bel zeigt, da an der Parteispitze sehr viel intensiver ber Fragen der po- litischen Zukunft nachgedacht wird als anderswo denn in diesem Anderswo geht es in der Regel entweder um konkrete Probleme, Ereignisse, Flle; oder um zielbewutes Handeln hinsichtlich einer (andere ausschlieenden) bestimmten politischen Vorstel- lung, wohingegen selbst auf mittlerer Ministerialebene ein breiteres Blickfeld vor- herrscht und Einzelfragen im Zusammenhang mit politischen Traditionen, Elementen der Kultur und begrenzten Sachzwngen (etwa konomischen Interessen und Notwen- digkeiten) errtert werden. 68 Allerdings bleiben auch hier kritische Stimmen nicht un- gehrt, doch uern sie sich innerhalb eines eindeutigen Regelwerks: Da die unten angedeuteten offiziellen Diskursschleifen, welche die versprengten, isolierten und peri- pheren Diskurse (die sich mitunter jenseits ffentlich-staatlich beschriebener Foren be- wegen) umwickeln, von allen (direkt) Beteiligten verlangen, a) sich jeweils in der Spra- che dieser Schleifen auszudrcken; b) die direkte Diskursebene nicht zu verlassen; c) zu verstehen, da in der offiziellen Wahrnehmung (seitens der KPV) die Art der Behandlung dieser Themen als Mastab der Beurteilung des eigenen Beitrags egal, wovon dieser handelt gilt. So schreibt beispielsweise der Rektor der Universitt Hanoi, da das politische System Vietnams in der Zeitspanne zwischen 1954 und 1975 (d.h. zwi- schen der Genfer Indochinakonferenz und der militrischen Wiedervereinigung) ein politisches System zu Zeiten des Krieges gewesen sei so wie man von Kriegswirt- schaft sprechen knnte und gewisse irrationale Elemente aufgewiesen habe, u.a. die Ersetzung des Staates durch die Partei (a?ng ... lm thay Nh nuc). Gleichzeitig habe eben jener ersetzter Staat (d.h. die Partei) zu tief in die Aktivitten politischer Krperschaften, Verbnde und Organisationen eingegriffen, wodurch Konzentrations- mechanismen und subventionsbrokratische Auswchse entstanden seien, die, gepaart mit hierarchischen Strukturen, Kommandoverhalten und Jasagertum, zu ineffektiver Politik der Nachkriegszeit gefhrt habe. 69 Bis hierhin sind Punkte a) bis c) nicht befolgt, da ungeachtet des apologetischen Tones, der Friedens- in Kriegszeiten umwandelt, gleich mehrere Tabus angesprochen werden, die sich nicht durch Verweise auf allge- meine Versumnisse wegdiskutieren lassen. Der Autor fhrt jedoch fort, da die Erfor- dernisse in Zeiten der wirtschaftlichen Umgestaltung (doi moi) andere seien und da die Einheit im Vordergrund stehe, die des Volkes und die des Staates mit demselben so- wie mit der Partei und jene mit den beiden anderen. 70 Demzufolge bleibt der Text im Rahmen beraus vorsichtiger Denkanste und belegt u.a. durch die verquere Ersetzung Nationalbewutseins oder ethnischen Zusammengehrigkeitsgefhls (tinh than dan toc) durch den vlkischen Charakter (tinh chat nhan dan), eine in der bersetzung nur unzureichend ausgedrckte, gleichwohl wesentliche Entideologisie- rung, da dan toc das ethnisch definierte und nhan dan das Staatsvolk meint. Diese Ausfhrungen eines affirmativen Intellektuellen reihen sich nahtlos in den Um- gang mit klar identifizierten, Kritik verlangenden Themen, welche von der KPV als unverbindliche Ventile ausgewhlt wurden, denen eine Form der politischen Dampfre- gulierung zukommt. Zu ihnen zhlen u.a. die Korruption als mittlerweile anerkanntes soziales Problem, der die Strkung der Parteiorganisation gegenbergestellt wird, ob- wohl diese auch in der Eigenwahrnehmung einiges zu wnschen brig lt 71 ; daneben die vielseits beschworene und im Westen als moralische Trumpfkarte sowie teleologi- sches Desiderat gehandelte Demokratie sowie all dessen, was darauf hinfhrt. Sie taucht in offizielle Rhetorik eingebaut auf: Demokratie oder das Recht des Volkes auf Selbstbestimmung sowie die Essenz des Regimes 72 ; und soziale bel, eine alte Parole aus der Phase des Hochsozialismus, die in Zeiten angespannten ideologischen Vakuums Aufschwung erfahren: Auslndische und unsittliche Literatur, unsittliche Fil- me, Prostitution, Bestechung, Formen der Gier, das Horrorszenario der friedlichen Evolution stehen hierbei an erster Stelle. Erst vor kurzem gab Nguyen Thanh Tan, Che- finspekteur Saigons Kultur- und Informationsbros, bekannt, da gerade wieder einmal sechs Tonnen Bcher und Zeitschriften zusammen mit ber fnfzigtausend CDs und CD-ROMs sowie sechstausend Videos und fnftausend Kassetten vernichtet wurden, wobei er nicht verga, darauf hinzuweisen, da die Zahlen der einzelnen Kreisinspek- tionen hierin nicht enthalten waren. 73 Auffllig an den Gesprchen im Sommer 2000 war darber hinaus, da mit der formellen Aufnahme aus Protesten entstandenen Forde- rungen in die Diskussionsbeitrge diese vor dem 9. Parteikongre nchstes Frhjahr ihrer Stimme beraubt, ihrer Themen entkleidet und ihrer Wirkung entzogen worden sind. Im selben Jahr (2000), als ber zwanzigtausend Hftlinge amnestiert wurden - die meisten davon aufgrund gewhnlicher Straftaten verurteilt - gab es zumindest zwei Ver- suche, Eingaben hinsichtlich Korruptionsbeschwerden zu erlangen, sowohl in Hanoi als auch in Saigon. Jedes Mal wurden Themen der rtlichen Korruption auf unterer Partei- und Verwaltungsebene angesprochen, ob wegen Wahlmanipulationen in Nam Dinh oder Korruption in Dong Thap. 74 . Eines der Hauptmittel gegen jede Form der Diskursausweitung ist nach wie vor das De- kret ber Verhaftungen 31/CP von 1997 (willkrliche Verhaftung im Falle einer Gefahr fr die nationale Sicherheit). Trotz einer von mehreren prominenten Dissidenten unter- zeichneten Eingabe ans Parlament (Nationalversammlung) im Mai 2000 zur Aufhebung des Dekrets besteht dies weiterhin und wird es auch in Zukunft. Daher die Frage: Kann der Diskurs unterlaufen werden? Und wenn, in welchen Bereichen ist dies fr die Be- vlkerung interessant? Bui Ngoc Tans Geschichte, im Jahre 2000 erzhlt, ber seine Erfahrungen in nordvietnamesischen Gefngnissen von 1968 bis 1973, war das einzige Buch, das im Jahr 2000 verboten wurde. Dennoch ist eine Manuskriptkopie auch jetzt noch leicht zu bekommen, so da sich die berlegung aufdrngt, es werde ausschlie - lich angeboten, um die Empfnger gesondert im Auge zu behalten. Die Diskussion des knstlerischen Umfelds da es die Knstler waren, deren Vorstel- lungen und Ideen bei den Gesprchen im Sommer 2000 sich als die ungezwungeneren und authentischeren erwiesen, was sich insbesondere aus der Politisierung des Arbeit- sumfelds ergibt hat einen Gedanken Herbert Marcuses zur Verbindung zwischen Klassenbewutsein und Kunstwerk besttigt: Kunst kann tatschlich zu einer Waffe im Klassenkampf werden, indem sie Vernderungen des herrschenden Bewutseins be- wirkt. Aber die Flle, in denen eine durchsichtige Wechselbeziehung zwischen dem jeweiligen Klassenbewutsein und dem Kunstwerk besteht, sind uerst selten. 75 Gleichzeitig hat sich gezeigt, da es den idealisierten Diskursteilnehmer, der in der Lage ist, die Konsequenzen seiner Handlung, die er aus sittlichen Prinzipien ableitet, nicht nur zu tragen, sondern da ihm dieses Tragen aufgrund staatlicher Reaktionen nicht zum Verhngnis werde, noch nicht gibt, und da daher Karl-Otto Apels Perspektive der Verantwortungsethik, die sich aus dem Problem der realitts- und geschichtsbezo- genen Anwendung der universalistischen Prinzipienethik ergibt 76 , in diesem Umfeld erst dann entwickelt wird, wenn ber die Bewutwerdung des eigenen selbstreferenti- ellen Diskurssystems inklusive der jeweiligen Traditionen des persnlichen Arbeits- und Lebensumfelds hinaus ein weiterer Schritt erfolgt, der eine Verknpfung dieser Systeme ermglicht, einen generellen Kommunikationsaustausch zwischen denselben erzeugt und somit zur Ausweitung jener derzeit noch auf kleine Gruppen beschrnkten Welche Rolle genau dem Knstler hierbei zukommt, ist noch offen und kann selbstver- stndlich nicht prskriptiv festgelegt werden es sei denn, man behandelte dieses Pro- blem im Rahmen politischer Ideologie. Insbesondere die Funktion des Staates als Zwi- schenglied zwischen Knstlern und Gesellschaft ist nach wie vor strittig. Wie wir wis- sen, hngt auch in nichtsozialistischen Lndern das Prestige und noch mehr der Erfolg eines Knstler in berragender Weise von seiner Einbindung in knstlerische Organisa- tionen ab, die ihm und seinen Arbeiten manche Tre ffnen und ihn sozusagen gesell- schaftsfhig machen knnen. Selbst in den westlichen Industrielndern, wo der Kunst- diskurs sich eher an Modeerscheinungen als an politischen Vorgaben orientiert, wird hin und wieder nach staatlicher Intervention verlangt, um einen Knstler vor der Gesell- schaft zu retten, die sein Werk ablehnt oder nicht versteht. Hier zeigt sich mitunter die gegenlufige Entwicklung hin zum Verlangen vollstndiger Subvention des Knstlers, um sich in Ruhe seinem Werke widmen zu knnen. 77 Die Gefahr, somit zum ausge- stellten Staatsknstler zu werden, liegt auf der Hand ebenso die Ansicht, sich nicht einbinden lassen, bedeute Opposition. Man glaubt, den Staat soweit aus der Kunst her- ausgedrngt zu haben, da man ihn mittlerweile wieder hereinholen und ihm eine Ver- mittlerrolle zubilligen knne. In Vietnam ist dieses Verstndnis von Staat und Kunst jedoch bereits politisch abgesegnete, und der staatliche Eingriff ist nie uninteressiert, kann es nicht sein, da eine Verlagerung von Kunstwerken in Museen hier sehr wohl staatliche Untersttzung bedeutet, in nichtsozialistischen Staaten hingegen beizeiten den Effekt der Abschiebung ins institutionalisierte Kunstexil bedeutet, da man die Werke der ffentlichkeit entzieht und sie den wenigen interessierten Museumsbesuchern zu- gnglich macht. 78 Fachidioten unter sich, knnte man sagen, denn natrlich spielt die berlegung eine Rolle, da nur ein bescheidener Teil der ffentlichkeit berhaupt wei, welche Museen sich in der Umgebung befinden, und sollte man den Weg dorthin finden, dann meist, um zu berprfen, ob die ausgestellten Werke auch richtig im Ka- talog verzeichnet sind. Staatliche sanktionierte Kunst wird zwar auch in Vietnam an verschiedenen Stellen im- mer wieder unterlaufen, bleibt jedoch sichtbarer Hauptkonsumgegenstand. Dasselbe gilt fr die Literatur, denn was verboten ist, bekommt nur derjenige zu sehen, der sich oh- nehin dafr interessiert und sich auf die Suche macht. John Bergers Satz, da die Publi- zitt aus der Konsumierung ein Substitut der Demokratie macht 79 , ist angesichts der fr vietnamesische Knstler und Intellektuelle tglich erfahrbaren Diskursverkalkungen und verstopfungen eine klare Aufforderung, sich einer Vielfalt hinzugeben, die sich nicht durch vorgeschriebene Einheit dominieren lt. Wie u.a. die besprochenen De- batten whrend der ersten Hlfte des 20. Jahrhunderts gezeigt haben, hat sich auch der sozialistische Realismus erst langsam als Teil der politischen Kampferfahrung (u.a. ge- gen Frankreich) herausgebildet. Doch die festgezurrten Diskursbnder der Nachkriegs- zeit strangulierten genau dort, wo sie ihre Elastizitt am meisten gefragt war. Diese Er- fahrung haben nicht nur die Vietnamesen gemacht: David Siqueiros, seines Zeichens berzeugter Marxist, sagte bereits 1955 in einem Vortrag in Moskau, [f]ormidable fut Raphal mais dtestables les raphalistes qui lui succdrent. 80 Als das von Truong Chinh ausgearbeitete Manifest der KPV zur Kunst und Literatur umgesetzt wurde, be- deutete dies fast das Ende jeglicher kreativer Arbeit. Als sich die Szene in den frhen Neunzigern sichtbar lockerte, wurde der vormalige Inbegriff korrekter knstlerischer Tugend schnell zum Schimpfwort: Soldaten malen (ve b. d.i) charakterisierte nunmehr die Schwche der Anstandslosigkeit. Da die Teilnehmer peripherer Diskurse nicht nur mit dem Problem des Zugangs zu Mitteln der Verbreitung oder Medien der Diffusion im weitesten Sinne - hierzu zhlt u.a. auch die Erlaubnis zu Vortrgen, welche die eigene Kunsttradition kritisch be- leuchten - konfrontiert sind, sondern sich ebenfalls in bestndigem Austausch ber die eigene Betrachtungsweise, Arbeitslogik und Produktionsmechanismen befinden, be- deutet, da es selbstredend keine apolitischen, neutralen oder von Erscheinungen des Entzugs bestimmten Formen der Auseinandersetzung ber den eigenen Beruf geben kann, womit gesagt ist, da im Falle der vietnamesischen Gegenwartskunst allein das Vorhandensein diffuser Vorgaben seitens des Staates (d.h. seitens der Partei) jede Akti- on, jedes Werk innerhalb, auerhalb oder neben einen politischen Bezugsrahmen stellt, der mitunter nichtkanonisierter Art ist, weshalb sogar ein an sich banales Ereignis wie eine Fotoausstellung mit Bildern aus dem alltglichen Leben keine rein ontologischen Aussagen trifft, sondern strategische Implikationen mit sich fhrt, die auf Fragen des politischen Diskurses zielen: Sind diese Bilder, wie im Sommer 2000 in einer Ausstel- lung zu sehen, in fahlem, dsterem Lichte gehalten, so erscheint am anderen Ende der Wahrnehmungsspirale keine sthetische Auseinandersetzung ber fotografische Dar- stellungsformen, sondern eine politische Reaktion, welche die Aufweichung des Kli- schees vom 'Land des Lchelns' moniert und sich um die Negierung jener Auenwir- kung simplifizierter Erscheinungsvorgaben (d.h. der staatlich gefrderten Illusion eines selbstzufriedenen, immer freundlichen Fleckchen Erdes) sorgt und somit die Wahrneh- mungspsychologie knstlerischen Gestaltens schlichtweg ignoriert. Anders ausgedrckt: Steht in der abendlndischen Kunstgeschichte der Neid der Gtter fr die Bedrohung des vollkommenen Kunstwerks durch diejenigen, welche nachzuahmen als Frevel ge- handelt wurde (Vasari berichtet, da am Epitaph des Giulio Romano zu lesen sei: "Er- grimmt, da ein Sterblicher seinen Geschpfen Atem einzuflen vermag, da die Bauten eines Sterblichen denen des Himmels gleichkamen, entrafft Jupiter den Knstler von der Erde" 81 ), so stnde in diesem Falle die Rache der Wchter, jener 'Raffaeliten' Siqueiros', fr den Ausschlu ungebundener Expressivitt durch diejenigen, deren Emp- finden fr Zulssigkeit sich selten jenseits deifizierter Normvorstellungen bewegt. Eine der Hauptschwierigkeiten vietnamesischer Gegenwartsknstler besteht in der Kommunikation mit dem Publikum. Anders als in nichtsozialistischen Staaten, wo die- ses Problem in erster Linie aus Fragen des Marktzugangs bzw. der Vermarktung, d.h. Beziehungen zu Kunsthndlern, Galeristen, Mzenen, Verbnden, Museen usw. besteht, haben wir es hier jenseits staatlicher Intervention mit rein strukturellen Aspekten zu tun. Um dies zu erlutern, sei daran erinnert, da der Durchschnittskunstkonsument nur das sieht/erkennt, was er wei/kennt. Fr den Knstler bedeutet dies einen Verla auf beste- hende Interpretationsmuster, die ihm z.B. bei allegorischen Verfahren zum Vorteil ge- reichen. Wenn Vermeers "Malkunst" ein Mdchen mit den Attributen der Klio darstellt,so wird die dargestellte Figur unabhngig von ihrer (direkten) Personifikation mit der Geschichtsmuse in Verbindung gebracht. Der Knstler wei das und kann dadurch be- stimmte eindeutige Aussagen treffen. Der Kodex festgelegter Attribute mag sich ndern (etwa die Christianisierung antiker Gottheiten, bei denen die Darstellungsform 'klas- sisch', der Inhalt jedoch christlich ist), doch ist der Mann mit dem Hammer in der 'so- zialistischen' Kunst 82 nahezu ausschlielich ein Arbeiter im Sinne eines Vertreters sei- ner Klasse. Selbst wenn er lesend dargestellt wird, reicht der Arbeitsanzug, ihn als sich bildender Arbeiter, nicht jedoch etwas anderes auszumachen. Da nun dasjenige, was man wei/kennt, in der Regel durch die Erziehung bestimmt wird - abgesehen von Fl- len, bei denen der Einzelne sich von den Lehrinhalten des Schulsystems befreien und diese berwinden kann - bt die Etablierung eines Kunstkanons bzw. einzelner allge- meingltiger Regeln einen nachhaltigen Einflu auf das zu vermittelnde Wissen aus. Da diese Art der Vermittlung sich im spteren Leben fortsetzt, versteht sich von selbst. Erziehungsanstalten legen hier allenfalls einen Grundstein. Fllt dieser Kunstkanon weg, 'wei man nichts mehr' und kann hinsichtlich der eigenen Kunstwahrnehmung sowie -auffassung nicht mehr eigenstndig handeln, da man keine Mastbe hat. Hier ist noch nicht die Rede von der bewuten berwindung dieser Mastbe, sondern vom ursprnglichen Verlust derselben. Das Ergebnis ist nahezu ausschlielich berforde- rung, insbesondere durch moderne oder gar Gegenwartskunst, die rasch als Zumutung empfunden wird, da sie so viel voraussetzt und gleichzeitig bewut auer acht lt. Wie am Beispiel Frankreichs kurz besprochen, zeichnen sich mittlerweile sogar Tendenzen des Verlangens nach staatlicher Intervention zwecks Vermittlung des Kunstwerks ab. Wie prekr derartige Forderungen sind, lt sich daran ablesen, da der Staat Eigenin- teressen besitzt und diese durch Einsatz enormer Ressourcen durchzusetzen in der Lage ist. Nicht nur Anstiges, auch Schwieriges oder Ungewohntes kann ohne weiteres ins Museum weggeschlossen werden, um es pro forma zu kanonisieren, tatschlich jedoch der ffentlichkeit zu entziehen, so wie beizeiten die n- male dem Impuls des Vergessens entspringt. 83 Demnach wre die unbedarfte Frage nach dem Sinn eines vietnamesischen Gegenwartskunstwerks (wie beispielsweise das Ankle- ben von Nudeln auf gemalte lflchen) 84 eine Zurschaustellung der Grenze bewut akzeptierter Kunstformen sowie die gleichzeitige Forderung, einordnen zu knnen, d.h. das Verlangen nach rein funktionalistischen Kunstformen. Wie soll sich der Knstler auf die ffentlichkeit beziehen, sie 'bereichern' oder anregen, wenn er kaum Einflu auf die Formen akzeptierter Kunstgestaltung hat?, selbst wenn diese Formen die Absenz der Form bedeuteten? Das Problem des Sehens, was man wei - es bleibt bestehen; dessen, was man beigebracht bekommen hat, was man hinzunehmen bereit ist. An dieser Stelle verlt die Kunstproduktion im heutigen Vietnam den politischen Diskurs der Gegen- wart und berhrt eine 'ewige Frage', da die Akzeptanz des Ungewohnten, Irritierenden (so wie Spaghetti auf lbildern) auf die Bewutseinsstruktur des Betrachters zielt. Wie wesentlich dieser Punkt ist, verdeutlicht die jeweils als 'revolutionr' empfundene Infra- gestellung fester, althergebrachter Normen, welche gleichzeitig jedoch rckwirkend banal wirkt, so etwa die Vase des Euthymides (Einfhrung der perspektivischen Ver- krzung) aus dem spten sechsten vorchristlichen Jahrhundert oder die Fresken des Giotto di Bondone (berwindung der mittelalterlichen symbolhaften Darstellungsweise). Kurz, solange weder eine Vernderung (nicht mehr ganz) fester Kunstauffassungen im heutigen Vietnam mehr Durchsetzungsvermgen entwickelt, um dem Anderen, Neu- artigen, Ungewohnten Raum zu verschaffen, noch gar der Kanon der ostasiatischen apolitischen Kunsttradition infrage gestellt wird, so da sie nicht mehr als verbindlich fungiert, kann kaum davon ausgegangen werden, da vietnamesische Knstler entschei- dende Impulse fr ihre Kollegen in anderen Lndern liefern knnen. Dennoch haben die Gesprche gezeigt, da die Diskussionen hierber bereits im Gange sind. Mit jeder Ak- tion, jeder Ausstellung wird ein Stck mehr Freiraum erkmpft und der Einflubereich des Staates zurckgedrngt, da sich auch hier die Auffassung, da Kunst nicht aus- schlielich 'um des Lebens willen' zu existieren habe, durchsetzt.

1 Bourdieu, Pierre, Elemente zu einer soziologischen Theorie der Kunstwahrnehmung, in: Gerhards, Jr- gen (Hrsg.), Soziologie der Kunst, Westdeutscher Verlag, Opladen 1997, S.318

2 Im Sinne der Opferbereitschaft des Einzelnen und der lebenslangen Hingabe an die Revolution

3 Etwa im Streit der pro-sowjetischen und pro-chinesischen Fraktionen innerhalb der KPV, die whrend Hos Lebenszeit durch seine Politik des Ausgleichs gegenber beiden kommunistischen Gromchten in Schach gehalten wurden und sich erst nach seinem Tod deutlicher herauskristallisierten

4 U.a. in: Ta. HuuYn, Sng ngi HCM (Ho Tschi Minh, Die leuchtende Tugend), NXB Thanh Nin, Hanoi 1999, S.95

5 Legge, James, The Chinese Classics, vol. 1, SMC Publishing Inc., Taipei 1994, S.357f.

6 Gardner, Daniel, Chu Hsi and the Ta-hsueh, Neo-Confucian Reflection on the Confucian Canon, Har- vard UP, Cambridge 1986, S.90, Anm.55

7 Confucius, Analects, transl. by James Legge, Nachdruck der Clarendon-Ausgabe, Dover Publications, NY 1971, S.285 (14: 24)

8 Hue-Tam31 Lockhart, Greg & Lockhart, Monique, The Light of the Capital, Oxford UP, Kuala Lumpur 1996, S.22

9 Beispielhaft hierfr: Jamieson, Neil, Understanding Vietnam, UCal Press, Berkeley 1993

10 Foucault, Michel, Die Ordnung der Dinge, Suhrkamp, Frankfurt 1974, S.45

11 Asemissen, Hermann, Las Meninas von Diego Velzquez, in: Kasseler Hefte fr Kunstwissenschaft und Kunstpdagogik, 2/81

12 Hong Ngo.c Phch, TT Diese Interpretation folgt der orthodoxen vietnamesischen Literaturgeschichtsschreibung. Sie ist in jng- ster Zeit durch: Schafer, John & The Uyen, The Novel Emerges in Cochinchina, in: Journal of Asian Studies, vol.52, # 4, Nov. 93, S.854 ff., infrage gestellt worden, da sie sdvietnamesische Vorlufer Phchs (insbesondere Ho Bieu Chanh) ignoriert

13 Perry Link, Mandarin Ducks and Butterflies, Popular Fiction in Early Twentieth Century Chinese Ci- ties, UCal Press, Berkeley 1981, S.129 f.; Lee, Leo Ou-fan, The Romantic Generation of Chinese Writers, Harvard UP, Cambridge 1973, S.7. Ein bekanntes Beispiel einer vergleichbaren Thematisierung wie in TTDuns Eine ideale Frau, Hoffnung auf Frhling, Moderne chinesische Erzhlungen, Band I, Hrsg. von Volker Klpsch, Suhrkamp Verlag, Frankfurt 1980, S.134 ff.

14 Feuerwerker, Yi-tsi M., The Changing Relationship Between Literature and Life: Aspects of the Writers Role in Ding Ling, in: Goldman, Merle (Hrsg.), Modern Chinese Literature in the May Fourth Era, Harvard UP, Cambridge 1977, S. 281 ff.; Hue-Tam Ho Tai, Radicalism and the Origins of the Viet- namese Revolution, Harvard UP, Cambridge 1992, S.92 ff.

15 Thanh Lng, Ph Bnh V`an Ho.c ThH ta.p I, Phong tro V`an ha, Saigon 1972, S.31. Der literarische Zirkel ist die aus sich selbst Kraft schpfende litera- rische Gruppe (Tu. Lu.c V`an on), die versuchte, ihre Werke am modernen westlichen Roman auszurichten. Das Neuartige daran war, da dies das erste Mal war, da ein literarisches Genre ohne jede Bercksichtigung der literarischen Tradition Chinas in Vietnam etabliert wurde. Besondere Bedeutung wurde klarem, prgnantem, an der Umgangssprache orientiertem Stil beigemessen, der einer breiten f- fentlichkeit zugnglich war. Die stark formalisierte Sprachsymbolik des Sino-Vietnamesischen wurde ignoriert und statt dessen der Versuch unternommen, eine ohne klassische Vorbildung zugngliche Lite- raturform zu schaffen

16 Khi Huung, Nua chung xuan (Frhlingsmitte), NXB Van nghe TPHCM, Saigon 1999

17 Marr, David, Vietnamese Tradition on Trial, 1920-1945, UCal Press, Berkeley 1981, S.214-221

18 Zu Dao Duy Anh, vgl. seine Erinnerungen: Nho nghi chieu hom, NXB Tre, Saigon 1989

19 Tr`n Thi. Nhu Mn, Snvi tnh thuong (Mit Gefhl leben), NXB Tre?, Hanoi 1988, S.28 ff.

20 Stacey, Judith, Patriarchy and Socialist Revolution in China, UCal Press, Berkeley 1983, S.48

21 Rankin, Mary Backus, The Emergence of Women at the End of the Ching: The Case of Chiu Chin, in; Wolf, Margery & Witke, Roxane (Hrsg.), Women in Chinese Society, Stanford UP, Stanford 1975, S.40

22 Yue Mingbao, Gendering the Origins of Modern Chinese Fiction, in: Tonglin Lu (Hrsg.), Gender and Sexuality in Twentieth Century Chinese Literature and Society, SUNY Press, Albany 1993, S.51 23 Hue-Tam Ho Tai: S.212

24 Pa Chin, Family, Doubleday, New York 1972, S.92. Die Darstellung individualittsbezogener Proble- matiken anhand abadonnistischer Familienstrukturen war ebenfalls in Vietnam ein populres Thema; siehe: Khi Huung, Gia nh (Familie), in: Vien van hoc, Trung tm khoa hoc xa hoi v nhn van quoc gia (Hrsg.), Van Chuong Tu Luc Van Doan (Literatur der TLVD-Gruppe), Bd. 2, NXB Gi duc, Hanoi 199, S.497 ff.

25 Thieu Son, Van hoc binh dan (Volkstmliche Literatur), in: lai cuoc tranh luan nghe thuat 1935- 1939, Vien Van Hoc [Hrsg. Von Nguyen Ngoc Thien, Nguyen Phuc, Nguyen Dang Diep], Hanoi 1996, S.438 f.; Hai Trieu, Su tien hoa cua van hoc va su tien hoa cua nhan sinh, in: Hai Trieu, Ve Van Hoc Nghe Thuat, NXB Van Hoc,Hanoi 1969, S.12

26 Hierzu: Scott, James, The Moral Economy of the Peasant, Yale UP, New Haven 1976

27 Hue-Taim Ho Tai, Literature for the People: From Soviet Policies to Vietnamese Polemics, Manu- skript, 1984

28 Hai Trieu, Nghe thuat vi nghe thuat hay nghe thuat vi nhan sinh, in: Hai Trieu, a.a.O., S.18 ff.; zu Guo Moruo: Kwang-chih Chang, The Archaeology of Ancient China, 4. Aufl., Yale UP, New Haven 1986, S.18 f.; Glik, Marin, The Genesis of Modern Chinese Literary Criticism (1917-1930), Curzon Press, London 1980, S.28 ff.

29 zit. in: Thanh Lang, Phe Bnh Van Hoc The He 1932, tap II, Phong trao Van hoc, Saigon 1972, S.150 (eigene bers.)

30 Pers. Komm. des Autors

32 Rousseau mu als der eigentliche Vater dieses Genres gelten, da es Augustinus lediglich um die Erfor- schung der eigenen Schuldgefhle im Angesicht des Glaubens ging, wohingegen Rousseau daran interes- siert war, die eigene Biographie als Modell fr die vielfltigen, oft widersprchlichen Facetten des menschlichen Charakters heranzuziehen und sich durch aufrichtige Selbstkritik zur Leitfigur derjenigen, die ein offenes und ehrliches Verhltnis sich selbst gegenber suchten, wurde

33 Cao Van Chanh, Mat tran van chuong: Noi dung va hnh thuc, in: Nhn lai cuoc tranh luan nghe thuat 1935-1939, a.a.O., Hanoi 1996, S.146

34 Zu Hus Forderungen im einzelnen, siehe: Chow Tse-tsung, The May Fourth Movement, Intellectual Revolution in Modern China, Harvard UP, Cambridge 1960, S.273 f.

35 Dazu: Kluge, Rolf-Dieter, Vom kritischen zum sozialistischen Realismus, Studien zur literarischen Tradition in Ruland 1880 bis 1925, List Verlag, Mnchen 1973; Brown, Edward J., The Proletarian Episode in Russian Literature 1928-1932, Octagon Books, New York 1953; Raddatz, Fritz (Hrsg.), Mar- xismus und Literatur, 3 Bde. [hier: Bd. 1], Rowohlt Verlag, Reinbek 1969; Mozeiko, Edward, Der sozia- listische Realismus, Theorie, Entwicklung und Versagen einer Literaturmethode, Bouvier Verlag Herbert Grundmann, Bonn 1977; Gtz, Diether, Analyse und Bewertung des Ersten Allunionskongresses der Sowjetschriftsteller in Literaturwissenschaft und Publizistik sozialistischer und westlicher Lnder (von 1934 bis zum Ende der 60er Jahre), Verlag Otto Sagner, Mnchen 1989; Schmitt, Hans-Jrgen & Schramm, G. (Hrsg.), Sozialistische Realismuskonzeptionen, Dokumente zum 1. Allunionskongre der Sowjetschriftsteller, Frankfurt 1974. Es war Serafimowitsch, der nach einer Periode des Nach-Tolstoischen bergangs (u.a. die kritischen Weresajew und Kuprin) die spezifisch russische Tradition des revolutionren begrndete, in der vor allem das Leben der Industriearbeiter eine Rolle spielte. Serafimowitsch beschrieb das Leben der Industriearbeiter und einfachen Menschen aus der Sicht eines naiven Glaubens an Besse- rung durch Klassenkampf. Als erster russicher Schriftsteller dieser Art steht er an der Schwelle zum Ro- man des sozialistischen Realismus, der spter Hai Trieu und andere beeinflute

Ho Tai, Radicalism and the Origins of the Vietnamese Revolution, Harvard UP, Cambridge 1992, S.78

36 Hoi Thanh, Van chuong la van chuong (Literatur ist Literatur), in: Nhn lai cuoc tranh luan nghe thuat 1935-1939, a.a.O., Hanoi 1996, S.230

37 ibid., S.234 f.; Hoai Thanh & Le Trang Kieu & Luu Trong Lu, Van chuong va hanh dong, NXB Huong Dong, Hanoi 1936, S.61 ff.

38 Nur die Sdprovinzen (Kotschinchina) waren Kolonie, der berwiegende Teil Vietnams stand unter Protektoratsverwaltung

39 Zit. in: Bernard, Jean-Pierre A., Le Parti Communiste Franais et la Question Litteraire 1921-1939, PU de Grenoble [o.J.], S.155

40 ibid., S.166; Schreiben nach Prinzipien kam fr ihn nicht in Frage; im Gegenteil, dies fhre nach eigenen Angaben zur knstlerischen Sterilitt: Gide, Andr, Aux Membres du Bureau de lAssociation des crivains et Artistes Rvolutionnaires, in: Gide, Andr, Littrature Engag, Gallimard, Paris 1950, S.18; siehe ebenfalls seine Zurckweiseng des kommunistischen Individualismus: Gide, Andr, Mes- sage au Ier Congrs des crivains Sovitiques, in: Gide, Andr, Littrature Engag, Gallimard, Paris 1950, S.55

41 Gide, Andr, Prface (nachtrglich geschrieben) LU.R.S.S. telle quelle est, in: Gide, Andr, Litt- rature Engag, Gallimard, Paris 1950, S.161

42 Le Quang Loc, Nghe thuat voi van hoa (Die Kunst im Verhltnis zur Kultur), in: lai, a.a.O., S.369 ff.

43 so wie dies bei Mrquez Cien Aos de Soledad (Hundert Jahre Einsamkeit) der Fall ist

44 Vgl. Leo Ou-fan Lees Aussage, sie seien embroiled in endless feuds gewesen: Lee, Leo Ou-fan, The Romantic Generation of Chinese Writers, Harvard UP, Cambridge 1973, S.24; Guo Moruo bekannte spter, [t]he so-called life school and art school were but window-dressing. Zit. in: ibid., S.22; siehe ebenfalls: Schwarcz, Vera, The Chinese Enlightenment, Intellectuals and the Legacy of the May Fourth Movement of 1919, UCal Press, Berkeley 1986, S.174

45 Lu Trong Lu, Mot nen van chuong Viet Nam, in: Nhn lai, a.a.O., S.373 ff.

46 [Anonym], Vai net ve tinh hinh van hoc trong nuoc, Hanoi 1998, S.13

47 Truong Chinh, Chu nghia Mac va van hoa Viet Nam (Marxismus und vietnamesische Kultur), NXB Su that, Hanoi 1974

48 ibid., S.100

49 Morson, Gary S., Socialist Realism and Literary Theory, in: The Journal of Aesthetics and Art Criti- cism, # 38, 1979, S.121 ff.

50 Dies ist wrtlich und wertfrei gemeint; siehe u.a. Ruskins Traktat ber die Bauformen der Gotik: Rus- kin, John, The Stones of Venice (I), Longmans, Green & Co., London 1904, S.180 ff.

51 Ernesto Guevara, El socialismo y el hombre nuevo en Cuba, Siglo Veintiuno, Mexiko-Stadt 1979, S.14 hnlicher Ansicht war auch Trotzki: Die Quantitt wird auch hier in Qualitt umschlagen: Zugleich mit dem Wachstum des Massencharakters der Kultur wird sich auch ihr Niveaus heben und ihr ganzes Ge- sicht verndern. Vgl.: Trotzki, Leo, Proletarische Kultur und proletarische Kunst, in: Proletarische Kul- tur und proletarische Kunst , Alexander Verlag, Berlin 1991, S.27

52 Pers. Kommunikation eines der beiden Involvierten

53 Trotzki, Leo, Parteipolitk in der Kunst, in: Proletarische Kultur und proletarische Kunst , Alexander Verlag, Berlin 1991, S. 9 f. Trotzki geht spter noch einen Schritt weiter; siehe: Breton, Andr & Rivera, Diego & Trotzki, Leo, Fr eine freie revolutionre Kunst, in: Wetterleuchten!, Knstler-Manifeste des 20. Jahrhunderts, Edition Nautilus, Hamburg 2000, S.56 ff., bes. S.60

54 Hierzu: Clark, Toby, Kunst und Propaganda, Das politische Bild im 20. Jahrhundert, DuMont, Kln 1997, S.86

55 Zit. in: Hauser, Arnold, Kunst und Gesellschaft, Beck Verlag, Mnchen 1973, S.136 (Hervorhebung im Original)

57 Kant, Immanuel, Kritik der Urteilskraft, in: ders., Werke, Bd. X, Suhrkamp Verlag, Frankfurt 1968, S.313, 314, 357

58 Die weitaus interessantere Feststellung, die hier zu treffen wre, ist, da Zitate in der Kunst eine we- sentliche Rolle spielen und in sozialistischen Lndern eine gewagte Man denke an das Selbstbildnis des Kunstpreistrgers der DDR und ehem. Mitglieds des Zentralvorstan- des des Verbandes fr Bildende Knste der DDR, Wolfgang Peuker, Selbst im Smoking (1985), das Max Beckmanns Selbstbildnis im Smoking (1927) zitiert und damit indirekt auf Beckmanns im selben Jahr verfate Schrift Der Knstler im Staat eingeht, in der es u.a. heit: Wir wnschen eine Art aristo- kratischen Bolschewismus. Einen sozialen Ausgleich, dessen Grundgedanke aber nicht die Genuguung des reinen Materialismus ist, sondern der bewute und organisierte Trieb, selbst Gott zu werden. ... Jetzt wollen wir an uns selbst glauben. Ein jeder Einzelne ist mitverantwortlich an der Entwicklung des Gan- zen, um selbst Gott zu sein. Auf nichts sich mehr verlassen als auf sich selbst. Vgl.: Peuker, Wolfgang, Selbst im Smoking, in: Staatsknstler Harlekin Kritiker?, DDR-Malerei als Zeitdokument, Bestands- katalog von DDR-Kunst im Besitz der GrundkreditBank eG Volksbank, FAB Verlag, Berlin 1991, S.115; Beckmann, Max, Selbstbildnis im Smoking, in: ders., Selbstbildnisse, Hamburger Kunsthalle & Staats- galerie moderner Kunst Mnchen, Katalog zur Ausstellung MaxBeckmann. Selbstbildnisse, Verlag Gerd Hatje, Stuttgart 1993, S.89; Beckmann, Max, Der Knstler im Staat, in: ders., Selbstbildnisse, a.a.O., S.56

59 Die Stelle, auf die hier Bezug genommen wird, findet sich in: Malraux, Andr, Lattitude de lartiste, in: ders., La politique, la culture: Discours, articles, entretiens, Gallimard, Paris 1996, S.110

60 Gesprch mit einem der beiden Beteiligten. Beide zogen vor, nicht namentlich erwhnt zu werden

61 Bao Ninh, Noi buon chien tranh, Manuskriptkopie, Hanoi 1993

62 Than phan cua tinh yeu

63 Bao Ninh hat das im Sommer 2000 besttigt

64 Pers. Komm. der Befragten, die auf Anonymitt bestand. In Becketts Glckliche Tage mutieren be- deutungslose Regungen und Anwandlungen angesichts der zivilisatorischen Sinnlosigkeit zu euphori- schen Glckszustnden

65 Chin. mnzh 66 Pracht, Erwin u.a. (Autorenkollektiv), sthetik der Kunst, Dietz Verlag, Ostberlin 1987, S.595

67 Siehe u.a. MSu. Ki.n Thi Bnh, in: Tap chi Cong san, 8/99

68 Auch dies ein Punkt, der sich in Gesprchen mit Mitarbeitern des vietnamesischen Innenministeriums

69 Phng Huu Ph, He thong chinh tri o Viet Nam nhung nam 1954-1975. Mot so van de nhan thuc ly luan, lich su (Das politische System in Vietnam von 1954 bis 1975. Einige Probleme der theoretischen und historischen Wahrnehmung), in: Trung tam nghien cuu xa hoi va phat trien (Hrsg.), Nghien cuu Viet Nam, Mot so van de lich su kinh te xa hoi van hoa, NXB ThG 70 ibid., S.67

71 H `ang (Chefredakteur der ZdK, dem theoretischen Organ der KPV), Ci mi trong du. tha?o ., in: TCCS (Zeitschrift des Kommunimus), 9/00, in: www.cpv.org.vn/tccs/so18_2k/hd_caimoitrong.html

72 H ang (Chefredakteur der ZdK, dem theoretischen Organ der KPV), Ci mi trong du. tha?o ., in: TCCS (Zeitschrift des Kommunimus), 9/00, in: www.cpv.org.vn/tccs/so18_2k/hd_caimoitrong.html

73 AP, 27.12.00

74 Vietnam: Human Rights Developments, in: www.hrw.org/wr2k1/asia/vietnam.html

75 Marcuse, Herbert, Konterrevolution und Revolte, Suhrkamp, Frankfurt 1973, S.145

76 Apel, Karl-Otto, Diskurs und Verantwortung, Das Problem des bergangs zur postkonventionellen Moral, Suhrkamp, Frankfurt 1988, S.368

77 Heinich, Nathalie, Ltat face lart contemporain, in: Art contemporain et pluralisme: nouvelles per- spectives: Artifices, Colloque sur lart contemporain, LHarmattan, Paris 1999, S.191

78 Zu Fragen des Verhltnisses von ffentlichkeit und Museum, siehe: Haskell, Francis, The Ephemeral Museum, Yale UP, New Haven 2000

79 Berger, John, Ways of Seeing, Penguin, London 1972, S.149

80 Siqueiros, David, Lettre ouverte aux peintres, sculpteurs et graveurs sovitiques, 1955, in: Harrison, Charles & Wood, Paul (Hrsg.), Art en thorie, 1900-1990, Hazan, Paris 1997, S.742

81 zit. nach: Kris, Ernst & Kurz, Otto, Die Legende vom Knstler, Ein geschichtlicher Versuch, Suhr- kamp, Frankfurt 1995, S.115

82 Nicht, da es etwas derartiges wirklich gebe, doch gereicht den meisten sozialistischen Lndern die sowjetische Kodifizierung des sozialistischen Realismus zum Vorbild knstlerischer Darstellungsweisen

83 Vgl.: Young, James, The Texture of Memory, Holocaust Memorials and Meaning, Yale UP, New Ha- ven 1993, S.5

84 So in einer Ausstellung junger Knstler in Hanoi im Sommer 2000; der Name des Betreffenden mu hier nicht unbedingt erwhnt werden

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