Paul Lafargue

 

Rousseau und die Gleichheit [1]

Antwort auf Professor Huxley [2]

(März/April 1890)


Rousseau et l’egalité, La nouvelle revue, vol.63/Paris Mars-avril 1890, S.319ff.
Mit dem Pseudonym „Fergus“ gezeichnet.
Neuveröffentlichung: Pauls Lafargue, Essays zur Geschichte, Kultur und Politik (Hrsg. Fritz Keller), Karl Dietz Verlag, Berlin 2004.
Übersetzer: Johann Schögler.
Deutschsprachige Erstveröffentlichung.
Stellen, die mit einem Stern * versehen sind, sind Einfügungen des Herausgebers.
Transkription: Fritz Keller.
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Einde O’Callaghan für das Marxists’ Internet Archive.


I

Monsieur Thiers sagte einmal, der Journalismus führe überall hin, vorausgesetzt man gehe darüber hinaus. In England, wo die öffentliche Meinung herrscht, hat man von der Presse eine gehobenere Meinung als daß man sie, nachdem man die Stufen der Macht erklommen hat, gleich einer Leiter mit Fußtritten wegstößt. Die angesehendsten und hochrangigsten Wissenschaftler schrecken nicht davor zurück, zur journalistischen Feder zu greifen und mit dem Leserpublikum über Tagespolitik beziehungsweise über wissenschaftliche und philosophische Fragen zu diskutieren. Die zwei europaweit bekannten Schriftsteller, die Messieurs Spencer [3] und Huxley haben nämlich soeben eine Polemik über den Ursprung des Eigentums und der Staatsintervention aufgenommen: Die Diskussion hatte in der Times [4] begonnen und wurde in der Daily Telegraph und der Nineteenth Century, einer der wichtigsten Londoner Zeitschriften, fortgesetzt; und – trotz der Tumulte der Alltagsereignisse – ist sie mit diesen Fragen, die von allgemeinem Interesse sind, auf ein begeistertes Publikum gestoßen.

Für die Leser der Nouvelle Revue wäre es interessant, die widersprüchlichen Meinungen der beiden polemisierenden Wissenschaftler zusammenzufassen und wiederzugeben; ich werde mich allerdings nur mit jenem Artikel aus der Nineteenth Century über die Natürliche Ungleichheit des Menschen befassen, in dem Professor Huxley gegen Rousseau und seinen Gesellschaftsvertrag [Contrat social] [5] und die Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen [Discours sur l’origine et le fondement de l’égalité parmi les hommes], diese zwei Meisterwerke des 18. Jahrhunderts, polemisierend ins Feld zieht, wobei ich die Betrachtungen eines Monsieur Spencer beiseite lasse.

Monsieur Huxley ist ein Gegner des „Rousseauismus“ ja er hat sogar für die theoretische Gleichheit einen so tiefgründigen und intensiven Widerwillen, daß dies fast unerklärlich ist, denn die Gleichheit würde seine hohe gesellschaftliche Stellung, die auf der Überlegenheit seines Talentes und seiner Kenntnisse beruht, nicht bedrohen. Das einfache Wörtchen Gleichheit erschreckt ihn und versetzt ihn derart in fürchterlichen Zorn, den er wortgewaltig und anti-wissenschaftlich loszuwerden versucht, indem er das, was er die „Prinzipien des Evangeliums nach Jean-Jacques dem Träumer“ nennt, kritisiert.

Hobbes [6] hatte schon vor Rousseau auf eine absolutere Art und Weise die Theorie der Gleichheit verteidigt. [7] Wie auch immer, Rousseau und seine Schüler sind es, die ihn in Wut versetzen; sie haben diese Pest in die Welt gesetzt, sie haben die Amerikaner derart „französisiert“,daß sie in ihrer Unabhängigkeitserklärung diesen Horror, daß „alle Menschen von Geburt an frei und gleich sind“, festschrieben; „eine so eindeutig falsche Behauptung, daß sie als lächerlich abgetan werden könnte, würde sie nicht so große Gefahren in sich bergen“, schreibt Monsieur Huxley empört. Rousseau untermauert die Theorie, so fährt er fort, nur durch „eine kindliche und unaufrichtige [silly and insincere] Rhetorik“ und mit Argumenten „aus dem schleierhaften Land des a priori[8], aber „so bewundernswert aufbereitet, daß es die große Anzahl der oberflächlichen Denker [shallow thinkers] berührt“. Aber wenn der Monsieur Professor gerade noch davor zurückschreckt Rousseau direkt einen „Idioten [fool]“ zu nennen, so deswegen, „weil seine Schriften in der Welt einen derartigen Anklang finden“, obwohl sie in seinen Augen nur „unverdauliche Gerichte“ darstellen. Das aber, was ihn beunruhigt, und was ihn in die Arena der Polemik zwingt, ist der Umstand, daß diese absurden Prinzipien über Freiheit und Gleichheit, die schon so viel Unheil angerichtet haben, „nach einer relativen Dunkelperiode wieder an die Oberfläche kommen und einen nachhaltigen Einfluß auf die Ereignisse des praktischen Lebens auszuüben drohen“. Man könnte geradezu glauben, daß die Angst dem geschickten Verbreiter des Darwinismus auf den Fersen ist. Sie alleine könnte das aus dem Gleichgewicht gebrachte Gedankengut und diese sprachlichen Gewaltexzesse bei einem Mann entschuldigen, der sich in seiner Polemik mit den hohen kirchlichen Würdenträgern so höflich zeigt, obwohl gerade sie ihn mit ihren aus der Bibel stammenden Argumenten, mit ihrer These des spontanen Entstehens des Menschen, der Tier- und Planzenarten, auf die Palme treiben müßten. Der hitzköpfige Gegner der Gleichheit zeigte sich ihnen gegenüber von beispielhafter Geduld.

Monsieur Huxley nimmt in der Welt der Wissenschaft einen sehr bedeutenden Platz ein und „die Prinzipien Rousseaus“ haben in Frankreich und in der Welt eine zu wichtige Rolle gespielt, als daß sich nicht ein Verfechter der Gleichheit und der französischen Revolution gefunden hätte, der diese brutalen Angriffe nicht gerne aufgegriffen hätte, die ein Bewunderer des englischen Gelehrten mit „Schlägen, die ein Boxer auf die Augen seines Gegners niederprasseln läßt“ verglich. Da mir daran lag, in der gleichen Zeitschrift und in der Sprache, in der die Attacken veröffentlicht worden waren, zu antworten, schrieb ich Mister Knowles, dem Direktor der Nineteenth Century; er antwortete mir postwendend, daß er mein Anliegen aufgreifen werde. Aber nachdem er zweifelsohne erst Monsieur Huxley zu Rate gezogen hatte, hat er beschlossen, meinem Vorschlag nicht nachzukommen. – Aber die Direktorin der Nouvelle Revue hat mir infolge ihrer allgemein liberalen Einstellung bereits erlaubt, in ihrer Zeitschrift wenig orthodoxe Ideen über die Familie, das Eigentum und die französische Revolution kundzutun, und da sie weiß, daß Meinungen, die heute als blasphemisch erscheinen, morgen vielleicht in Mode sein werden gibt sie mir von Neuem die Möglichkeit das Prinzip der Gleichheit, das zu einer französischen Devise geworden ist, zu verteidigen.

Da die Nouvelle Revue in England vertrieben und gelesen wird, werden die Leser der Nineteenth Century direkt oder indirekt von meiner Antwort Kenntnis bekommen.

 

 

II

Es ist ein Zeichen der Zeit, daß der Professor seine Kritikpunkte gegen den „Gesellschaftsvertrag“ und die „Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen“, die viele Leute als überholt betrachten und die wie sie meinen nur von wenigen Intellektuellen im stillen Kämmerlein gelesen werden, gerichtet hat. Monsieur Huxley ist ein aufgeweckter Geist, der den Eindrücken der praktischen Welt offen gegenüber steht. Daß er Rousseau, einen Schriftsteller des 18. Jahrhunderts angegriffen hat, der am besten die gewünschten Zielvorstellungen einer reichen und gut gebildeten Klasse ausgedrückt hat, einer Klasse, die aber sozial und politisch herabgesetzt war, ist darauf zurückzuführen, daß es in England zu Ereignissen kommen könnte, die den Kreis der Gleichheit, der sich im vergangenen Jahrhundert gebildet hatte, ausweiten könnte und daß die Thesen Rousseaus, obwohl zahlreiche Korrekturen vorgenommen werden müßten, noch von einer Arbeiterklasse, die ihre wirtschaftliche Emanzipation einfordert, verwendet werden können.

Vor etwa 12 Jahren haben die Politiker Englands, die sich an den Chartismus [9] nicht mehr erinnerten, die Nationen des Kontinents, der von sozialen und revolutionären Krisen heimgesucht worden war, bemitleidet. Der gute alte englische „common sense“ wurde durch die Utopien auf die Probe gestellt. Eine sozialistische Partei hat sich in einem Land, das sich vor der sozialen Ansteckung gefeit geglaubt hatte, spontan herausgebildet. Diese Partei ist noch nicht einmal zehn Jahre alt und hat schon Sektionen in allen Industriezentren. Sie gibt Zeitungen und Zeitschriften heraus. Sie besetzt am Sonntag die Kreuzungen mit Straßenrednern. Ein Abgeordneter wurde ins Parlament gewählt. Sie faßt Fuß im Gemeinderat, in der Kommission der Londoner Schüler und in den Provinzstädten. Sie hat so bedrohliche Demonstrationen organisiert, daß die Regierung die so alte ehrwürdige Versammlungsfreiheit, auf die die Engländer so stolz sind, in Frage hat stellen müssen.

Der Grundbesitz, der das ursprüngliche Thema der Auseinandersetzung zwischen Spencer und Huxley war, ist seit langem wegen seiner ausgesprochenen Monopolisierung und Feudalstellung, Ursache ständiger heftiger Angriffe. [10] Die Befürworter des Freihandels des Grundbesitzes verlangen die Aufteilung und den Verkauf der großen Besitztümer. Die zahlreichen Anhänger von Henry George [11] wollen, daß der Staat sie übernimmt, sie verpachtet und die Budgetausgaben aus dem Preis der landwirtschaftlichen Verpachtungen deckt. Die katholische Partei, deren Mitgliederzahlen und deren Einfluß ansteigen, erinnert immer wieder daran, daß die Güter der Kirchen und Klöster, die den Armen gehörten, beschlagnahmt worden waren und an die protestantischen Reformatoren verteilt wurden, von denen Walter Scott [12] im Sinne Voltaires [13] sagte, daß sie niemals auf ihren eigenen Vorteil vergaßen. Das rasche Anwachsen der sozialistischen Partei gibt diesen Angriffen auf den Grundbesitz eine neue Kraft. Die Landlords sind sehr zuversichtlich. Sie werden dafür bezahlt, daß sie wissen, daß in diesem als konservativ geltenden Land die radikalsten Maßnahmen im Handumdrehen getroffen und ebenso hart umgesetzt werden: In letzter Zeit griff das Kabinett Gladstone [14] ohne Umschweife die heiligen Eigentumsrechte an, indem es in Irland mit diktatorischer Macht ausgestattete bewaffnete Kommissionen einsetzte, die bei berechtigten Klagen der Pächter den Mietpreis für Ackerland annullieren und die Pachthöhe herabsetzen konnten.

Monsieur Huxley übernimmt die Verteidigung des Eigentums gegen alles und jeden. Er greift Rousseau und die Philosophen des 18. Jahrhunderts nur an, weil deren Schriften den Reformern des Grundeigentums Argumente liefern. Er verurteilt unwiderruflich ihre Gleichheitstheorien, die nach ihm nur auf der a priori Auffassung eines „Naturzustandes“ beruhen, auf einem „natürlichen Gesetz“, das nie existiert hat und nie existieren kann. Denn er als positivistisch eingestellter Mensch, der seine Auffassungen nur auf lange beobachtete Tatsachen fußt, hat noch nie feststellen können, daß die Kinder frei und gleich geboren werden, so wie es das sonderbare Rousseauistische Axiom behauptet. So berichtet er den Lesern von seinen wichtigen Beobachtungen:

Ich habe, sagt er, eine beträchtliche Anzahl von Neugeborenen gesehen [...]. Wie kann man nur behaupten, daß diese kleinen Sterblichen, die nicht einmal ein Glied in eine bestimmte Richtung bewegen können und die nichts außer Schreien und sich nur ungenau bewegen können, politisch gleich genannt werden können, es sei denn ihre Gleichheit ist jene von Nullen? Wie kann man nur diese kleinen Kreaturen frei nennen, wenn keines von ihnen vierundzwanzig Stunden überleben könnte, würden sie nicht von mütterlichen Händen gefesselt und gezwungen ihren umherirrenden Mund dämlich an die Brust zu setzen, die sie von selbst niemals finden würden? [...] Es ist ganz sicher ein Scherz und noch dazu ein schlechter, von der politischen Bedeutung eines Neugeborenen zu sprechen.

Der gelehrte Professor schließt, nachdem er auf diese komische Art und Weise das a priori von Rousseau zerstört hat, daß aus dieser falschen Prämisse abgeleitete Schlußfolgerungen falsch und wertlos sind. Lassen wir ihn doch auf diesen so herrlich verdienten Lorbeeren ausruhen.

Es gibt aber mehr als nur eine Möglichkeit in absoluten Kriterien zu denken. Anstatt etwas von einem als absolut betrachteten Prinzips abzuleiten, wie es die unbeirrbaren Logiker des 17. und 18. Jahrhunderts taten, kann man einfach alles, was nicht in dieses Prinzip paßt, verwerfen. Die protestantischen Theologen, zum Beispiel, weisen die Evolutionstheorie zurück, nicht weil sie falsch sei, sondern weil sie für sie das göttliche Eingreifen in die Entstehung der Arten überflüssig macht; dieses Eingreifen stellt für sie eine absolute Wahrheit dar. [15] Der Evolutionist Huxley überlegt ähnlich. Er stellt fest, daß es zwischen den Menschen in der heutigen Gesellschaft eine Ungleichheit der Güter, der Rechte und der Pflichten gibt; er stürzt sich entschlossen auf die Schlußfolgerung, daß diese Ungleichheit ein absolutes, unumstößliches Prinzip ist, das immer existierte und in „sæcula sæculorum [alle Ewigkeit]“ existieren wird. Diese Ungleichheit beruhe auf der menschlichen Natur selber, sie ist ein „Naturgesetz“; und er verwirft alles, was nicht mit seinem Ungleichheitsaxiom konform geht, denn es ist eine a posteriori Schlußfolgerung. Monsieur Huxley muß wohl noch daran glauben, daß die sogenannten a priori Ideen, ebenso wie die a posteriori Ideen auch von mehr oder weniger vollständigen, genauen und verallgemeinerten Beobachtungen abgeleitet werden.

Wenn Monsieur Huxley zwischen den Windelkindern keine politische Ungleichheit bemerkt hat, so hat er doch scharfsinnig bei ihnen ein gleichwertiges Unvermögen und ein gleiches Bedürfnis sich mit ihnen zu befassen und sie zu behandeln, beobachtet. Diese Bedürfnis- und Schwächegleichheit hätte ihn warnen sollen vor dem Absoluten einer a posteriori Ungleichheit. Von dieser Bedürfnis- und Schwächegleichheit haben Rousseau und andere auf die Naturgleichheit geschlossen, die sich ein Monsieur Huxley nicht als eine Idee a posteriori vorstellen kann.

Es ist ganz praktisch und bietet vielen oberflächlichen Denkern die Möglichkeit so die historischen Phänomene zu erklären : Anstatt im sozialen Milieu die Ursachen, die sie in fataler Weise hervorgerufen haben, zu suchen, wird ihr Entstehen dem Einfluß eines Menschen oder einer Theorie, die die Rolle eines „deus ex machina [Gott aus der (Theater-)Maschine = unerwarteter Nothelfer]“ spielt, zugeordnet. Monsieur Huxley stürzte sich auf diese erklärende Methode. Er macht Rousseau und seine Gleichheit verantwortlich für die Unabhängigkeit der Amerikaner, die erst beschlossen hatten frei und gleich zu sein, nachdem sie „französisiert“ worden waren. Auch für die schrecklichen Ereignisse der französischen Revolution macht er einen Rousseau verantwortlich. Und weiters ist es Rousseau und seine Gleichheit, den er für das zukünftige Unglück, das er für die englischen Großgrundbesitzer befürchtet, gerade stehen läßt.

Aber Rousseau hat einen breiten Rücken; seit langem wird er für die Sünden Israels [16] verantwortlich gemacht. Kaum waren die revolutionären Auseinandersetzungen vorbei, als die ruinierten und vertriebenen Adeligen über die Philosophen und ihre Theorien herfielen, anstatt sich über ihr eigenes Verhalten Rechenschaft abzulegen und sich zu fragen, ob nicht ihr blinder Widerstand gegen die Reformen, die aufgrund der Widersprüche notwendig geworden waren, die Zornesausbrüche verursacht haben und ob dies nicht einer der Hauptgründe ihres Unglücks war. Sie machten aus den Philosophen Sündenböcke, die für die Raubzüge und Massenhinrichtungen des Jakobinischen Terrors geradestehen mußten. Von 1796 bis 1880 wurde der Kampf aus der Öffentlichkeit nur zurückgedrängt, um sich rund um die Philosophen zu entzünden. Dieser theoretische Kampf, erstickt zwischen den revolutionären Dramen, die ihm vorangingen, und den ihm nachfolgenden Napoleonischen Kriegen, ist viel zu wenig bekannt. Ihn zu studieren ist wichtig, um den Ursprung der modernen Gesellschaften zu finden. Die Zitate, die wir anführen werden, erlauben es dem Leser die verwirrenden Geisteshaltungen dieser kritischen Jahre zu beurteilen, wobei bewiesen werden kann, wie sehr sich Monsieur Huxley über den Einfluß Rousseaus getäuscht hat.

Rivarol [17], dieser spirituelle Parasit, der durch seinen Sarkasmus und seine Epigramme im Journal politique national [Nationalpolitischen Zeitung] [18] und in Les actes des apôrtes [Akten der Aposteln] wesentlich dafür verantwortlich war, daß der Haß vertieft und der Kampf bis ans Äußerste getrieben worden war, war auch einer der ersten, die das Feuer eröffneten. Von Hamburg aus, wohin er geflohen war, um der Guillotine zu entkommen, veröffentlichte er eine haßerfüllte Broschüre gegen die „Moderne Philosophie“. Die Philosophen und Rousseau, „die Romantiker eines wilden Staates“ hatten mitten in Friedenszeiten den Sturm der Revolution angefacht: Sie waren Schuld an den Ausschreitungen und Verbrechen durch ihr Anprangern der Reichen und ihr Aufstacheln des Mitleids mit den Armen, „die, wie Chateaubriand [19] sagte, unendlich gefährlicher sind als die Reichen und oft weniger wert sind als sie“. [20] Die Philosophische Dekade,die am 10. Floreal des Jahres II [*29. April] (1794) gegründet worden war, um die Prinzipien von 1789, die durch die Gewaltexzesse der Jakobiner in Frage gestellt wurden, zu verteidigen und in der Schüler der Philosophen Garat [21], J.B.Say [22], de Gérando [23], Lacépède [24], Doktor Sue, der Vater des berühmten Eugène Sue, usw. schrieben, übernahm es auf Rivarol zu antworten.

Die Philosophie, konterte die Décade vom 30. Fructidor des Jahres IV (*16. September 1796), hatte eine finanzielle, militärische, zivile, moralische und religiöse Reform angekündigt und vorbereitet und nicht eine politische Revolution [...] Sie hatte sich sogar mehr an die Könige als an die Völker gerichtet, sie hatte eher die ersteren zur Behutsamkeit aufgerufen, als daß sie die anderen zum Aufstand aufgestachelt hätte [...] Sowohl Voltaire als auch Rousseau selbst hatten ihre Hauptwerke an die Mächtigen des Landes gerichtet, niemals an die Unterdrückten. Voltaire verlangte vom Königtum die Reichtümer, dessen Bild die Philosophie gezeichnet hat, zu verteilen; niemals hat er dem Volk geraten sie sich zu holen. Er wollte, daß das Königtum mit der ganzen Macht der Güte und der Aufklärung ausgestattet wurde. Es war also ein sicheres Weiterbestehen, das er suchte, und nicht den Ruin der Monarchie [...] Nur der Abbé Mably [25] hatte gegen die Reichen gewettert und gegen das Eigentum [...] Mably war allerdings eher Publizist denn Philosoph. Niemals hatte man ihn mit Montesquieu [26],Voltaire und Rousseau – schon nicht wegen der Art seiner Werke – gleichgesetzt. Alle in der Gesellschaft kannten seine ständigen Angriffe auf Voltaire.

Die Nummer des 10.Thermidors des Jahres II (*28. Juli 1794) hatte daran erinnert, daß die öffentlichen Essen des Jahres 1793, bei denen alle Bürger, die in der gleichen Straße wohnten, zusammen an „gemeinsamen mitten auf der Straße aufgestellten Tischen“ aßen, „ein Geschenk der Aristokratie waren und daß der Jakobiner Barrère [27] es war, der deren Abschaffung im Namen der Revolution und der Moral gefordert hatte“. Roederer [28] sollte später in seiner Abhandlung über die Politische Ökonomie [29] oder im Republikanischen Lyceum Rousseaus Ruf rächen, den Idioten und Halunken besudelten, indem sie behaupteten, er habe die Aufteilung der Güter gewollt, wohingegen er aufgezeigt hatte, daß das Eigentum das Gesellschaftsprinzip darstellte. (Décade, 10. Pluviosus des Jahres IX [30. Jänner 1801]).

Und das, was Monsieur Huxley überraschen wird ist nicht, daß man die Gleichheit, dieses Schreckgespenst, für den Ursprung der terroristischen Verbrechen verantwortlich macht, sondern die Fortschrittstheorie, das System der Perfektheit, „das eine der erstaunlichsten Fähigkeiten der Menschheit darstellt“, sagte Talleyrand [30] in seinem Bericht vom 10.September 1791 über das öffentliche Unterrichtswesen.

Madame de Staël schrieb [31], daß das Perfektionssystem wegen der schrecklichen Folgen, die man in den fürchterlichen Zeiten der französischen Revolution daraus zog, so widerwärtig geworden war. Das Allgemeinprinzip, von dem die Jakobiner sich leiten ließen, bestand im Perfektionsprinzip, wobei die Wiedereinsetzung der Gesetze des Lykurgus [32] den ersten Schritt darstellte.

Nicht Rousseau konnte man verantwortlich machen, daß er jemals eine derartige Doktrin vertreten hätte; er, der im Gegensatz dazu in seiner bekannten „Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen“, „der allgemeinen Öffentlichkeit aller Altersgruppen Argumente geliefert hatte, wonach die menschliche Natur degeneriert sei und daß es ständig bergab ginge“, wie es ihm Condorcet [33] vorwarf.

Wenn man so gut in Fahrt war, konnte man doch nicht innehalten und man nahm den analytischen Geist, den Necker [34] schon anläßlich seiner Polemik mit Condorcet über den Getreidehandel angegriffen hatte, aufs Korn. [35] In der oben zitierten Broschüre frevelt Rivarol gegen „den analytischen Geist, der überall Lösungs- und Zersetzungsmittel einsetzt [...] Er tötet und zerstückelt lebendige Menschen, um sie besser zu kennen [...] Dieser üble Geist ist es, der alles schlecht findet, der die ganze Politik, die Moral, die Religion und vor allem die Könige, zerstört [...] der nur für die Zukunft und das Unbekannte Augen und Ohren hat, der Zeitgenossen Haß wünscht und über Eigentumsrechte nur lächelt“. Die Reaktionäre mußten logischerweise so weit kommen, daß sie ein Studium der Mathematik, dessen analytische Ableitungsmethode die philosophische Geisteshaltung des 17. und des 18. Jahrhunderts gewesen war, verdammten. „Wie sollte man auch mit Leuten, die sich in Wolken von Gleichungen einwickelten, vernünftig reden können“ sagte Bernadin de Saint Pierre; tatsächlich, so fuhr der Abbé von Lamblardie fort, „ist es bewiesen, daß die Mathematik steril für den Geist ist“. [36]

Und damit Chateaubriand einer der Führer der Katholischen Partei werden konnte, mußte er reaktionäre Ideen verteidigen und akzeptieren und er schlußfolgerte:

Die Mathematik trocknet die Herzen aus, macht das Leben unlustig und bringt einfältige Geister zum Atheismus und vom Atheismus zu allen möglichen Verbrechen (Mercure, 16. Messidor des Jahres IX [*3. Juli 1801]).

Ist Monsieur Huxley, der erklärt, „daß die ausgelöschte Laterne der Philosophen jene, die ihr folgen, in den tiefsten Sumpf der Anarchie stürzen wird“, ein Anhänger der unverfrorenen Logik der Reaktionäre des Endes des letzten Jahrhunderts? Sollte er die Mathematik und die analytische Methode verurteilen, die Evolutionstheorie bestreiten, die unter einem anderen Namen die Fortschrittstheorie und das Perfektionssystem der Philosophen ist und sollte er mit Rivarol einer Meinung sein, daß man nicht mehr Fortschritte machen dürfe denn, „das gute Gesetz ist nicht das beste Gesetz, sondern die unveränderlichste [...] Legitimität besitze nur alles, was unveränderlich ist“.

 

 

III

„Der erste, der ein Stück Land einzäunte, auf den Gedanken verfiel zu sagen: Das gehört mir, und Leute fand, die schlicht genug waren, ihm zu glauben, war der eigentliche Gründer der Gesellschaft“, sagt der so viel zitierte Satz aus der Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen. [37] Rousseau setzt also voraus, daß das Land vorher Allgemeineigentum war. Hobbes, der in England und in Frankreich auf die Herausbildung der modernen Ideen einen so großen Einfluß ausübte, hatte schon die gleiche Annahme gemacht:

Die Natur, sagte er, hat jedem ein Recht auf alles gegeben; [...] in dem Naturzustand darf jeder alles haben und tun. Und das ist der Sinn des bekannten Satzes: Die Natur hat allen alles gegeben. Daraus ersieht man auch, daß im Naturzustand der Nutzen Maßstab des Rechtes ist. [38]

Dieses Zitat beweist Monsieur Huxley, daß Rousseau nicht für das Wiederaufleben des Naturzustandes der griechischen Stoiker [39] in Europa verantwortlich gemacht werden kann, deren philosophische Doktrin ein Protest gegen den Sozialstaat ihrer Epoche darstellte.

Der primitive Kommunismus eines Hobbes und eines Rousseau war eine einfache Sicht des Geistes, den sie wahrscheinlich mit keiner einfachen gut überprüften Tatsache untermauern hätten können. Monsieur Huxley, der sich keine Sicht des Geistes erlaubt, ruft aus:

Rousseau verläßt das bescheidene aber solide Feld der Erfahrung und wendet sich dem erhabenen aber düsteren Land des a priori zu [...]. Die absolute These, daß die Erde in primitiven Zeiten ganz einfach im Besitz der ganzen Nation war, ist besonders schlecht fundiert.

Und nicht weniger absolut behauptet er, daß „das Land immer in individuellem Besitz oder in Händen mehrerer zugleich war, niemals jedoch war es öffentliches Eigentum oder in den Händen der ganzen Nation“.

Überprüfen wir einmal, ob der „unwissende Rousseau“ oder der gelehrte Herr Professor Recht hat und um dies zu tun, schauen wir, was jene sagten, die mit den Wilden und Barbaren zu tun hatten.

Monsieur Huxley besitzt zweifelsohne in seiner Bibliothek das Buch Vom Gallischen Krieg; möge er es bei Buch VI, § 22 aufschlagen und dort nachlesen:

Auch hat niemand ein bestimmtes Stück Land oder eigenen Grundbesitz, sondern Stammesführung und maßgebliche Männer teilen jährlich den Familien- und Verwandschaftsverbänden [gentibus cognationibusque hominum, quique una coierint] und anderen Genossenschaften ein angemessenes Feldstück dort zu, wo man es für richtig hält, zwingen sie aber im nächsten Jahr, anderswohin zu gehen. [40]

Dieses Brauchtum hatte neben anderen Gründen zum Ziel, daß „ein Geist der Gleichheit im Volk bestehen blieb, denn jeder bekommt zu seinen Einkünften soviel dazu, bis er mit den Finanzkräftigeren gleichgestellt ist„ .So war also das Land bei den Germanen, die Cäsar kannte, im gemeinsamen Eigentum des gesamten Volkes. Elphinston [41] fand bei den afghanischen Stämmen, die er zu bekämpfen hatte, die gleiche Art der Eigentumsform in den Händen der gesamten Nation und eine periodische Neuaufteilung zwischen den Clans und den Familien vor. [42] Überall, wo man an den Ursprung zurückkehren konnte, hat man den gleichen Gemeinschaftsbesitz an Erde vorgefunden.

Morgan [43] hat in seinem letzten und bemerkenswerten Werk über die „Häuser und das häusliche Leben der Rothäute“ eine ganze Reihe von Beweisen über diesen primitiven Kommunismus angeführt. Er gibt diesen besonders interessanten Abschnitt des berühmten böhmischen Missionars Heckewelder [44] wieder, der inmitten der Indianer von 1771 bis 1786 lebte und ihrer Sprache mächtig war.

Die Indianer denken, der Große Geist habe die Erde und alles was sie bietet zum gemeinsamen Nutzen aller Menschen geschaffen. Als er sie mit Früchten bedeckte und mit Wild bevölkerte, so tat er dies nicht zum Nutzen einiger, sondern zum Wohle aller [...]. Die Gastfreundschaft ist bei ihnen nicht eine Tugend, sondern eine Pflicht [...]. Sie würden lieber Hunger leiden, als den Bedürfnissen des Fremden, des Kranken oder des Bedürftigen, die alle ein Anrecht haben, daß ihnen auf Kosten des Allgemeinbesitzes geholfen wird, nicht nachzukommen. So war zum Beispiel das Fleisch, das man ihnen anbietet, vorher im Allgemeinbesitz in den Wäldern. Das Wild war im Besitz aller, bevor es vom Jäger erlegt wurde. Mais und Gemüse wuchsen auf gemeinschaftlichem Boden, nicht durch das Zutun des Menschen, sondern durch den Willen des Großen Geistes.

G(*eorge) Catlin [45], der acht Jahre hindurch inmitten der wilden Stämme Nordamerikas lebte und umherreiste, berichtet, daß bei den Mandanen [46] jeder Mann, jede Frau oder jedes Kind das Recht hatte, in irgendeine der Hütten zu gehen, sogar in jene des Chefs und essen konnte was ihm/ihr beliebte .... Sogar das unnützeste Individuum der Nation kann, wenn es zu faul ist selbst auf die Jagd zu gehen, in irgendeine Hütte gehen und man wird mit ihm teilen, solange es noch was zu essen gibt. Es muß jedoch jener, der so bettelt, obwohl er auf die Jagd gehen könnte, teuer für seine Nahrung bezahlen, denn er wird als Feigling und als Bettler abgestempelt. Diese kommunistische Praxis, die allgemein verbreitet war, war noch lange nachdem die Spartaner ihre Phase der Barbarei hinter sich hatten, in Lakonien [47] aufrecht erhalten geblieben.

Morgan, der insbesondere die Sitten der Irokesen, mit denen er lebte, untersucht hatte, übermittelt uns, daß sie ihre Felder gemeinsam bestellten, daß sie die Ernte, die Früchte der Jagd und des Fischfangs innerhalb der Familienclans verteilten. Oft wurde die Verteilung nach der Anzahl der Frauen vorgenommen. Die Vorräte waren ihnen jedoch nur sozusagen anvertraut worden, denn sie standen zu jeder Zeit für die gesamte Gemeinschaft zur Verfügung.

Die von Cäsar, Elphinston und Morgan gesammelten und berichteten Fakten, deren Intelligenz und Beobachtungskraft niemand in Frage stellen wird, bekräftigen die hypothetische Annahme Rousseaus und Hobbes , die Monsieur Huxley in so überhebliche Weise ins Lächerliche zieht. Die Erde war im gemeinsamen Besitz der Familienclans der wilden Nationen und alle hatten das Recht sich frei aus den durch die gemeinsame Arbeit der Clans erhaltenen Vorräten zu bedienen und dies bis zur völligen Ausschöpfung der Vorräte.

Der primitive Kommunismus der Erde und seiner Früchte stellte eine perfekte politische und soziale Gleichheit zwischen allen Mitgliedern innerhalb einer Nation her. Der ins Dorf zurückgekehrte Kriegschef besaß keinerlei Macht mehr – „nur mehr sein eigenes Kind gehorchte ihm“, berichtet Volney [48] – und der Verwaltungsrat hatte nur noch eine moralische Autorität; seine Mitglieder wurden nach dem allgemeinen Wahlrecht ernannt. Die Frauen nahmen auch oft an den Wahlen und an den Beschlüssen des Rates teil: Die Germanen, berichtet Tacitus, billigten ihnen einen „etwas Heiliges und Seherisches [sanctum aliquid et providum]“ [49] zu. Vor allem bei der Verteilung der Lebensmittel anläßlich der Mahlzeiten kam diese Gleichheit zum Vorschein. Die Männer und die Frauen aßen getrennt. Jeder Irokese erhielt seine Ration in einem Behälter und da es in ihren langen Häusern weder Tische noch Sesseln gab, aß ein jeder dort, wo es ihm beliebte. Die Frauen und die Kinder aßen erst, wenn die Männer fertig waren. Die Syssitien [50], diese kommunistischen Mahlzeiten im Alten Griechenland, sind gleichzusetzen mit jenen der Irokesen, die Morgan beschreibt.

Heraklit von Pont [51], ein Schüler Platos [52], hat uns die Beschreibung eines dieser kommunistischen Essen Kretas [53] überliefert, wo die primitiven Sitten noch sehr lange weiterbestanden hatten. Bei den „andreia [Männermahlzeiten]“ erhielt jeder Erwachsene einen gleichen Anteil, außer dem Archonten. [54] Das Ratsmitglied der Alten (gerontia) erhielt vier Mal so viel: eine Ration als einfacher Bürger: einen andereren Teil als Tischpräsident und zwei weitere Anteile für die Instandhaltung des Saales und der Möbel. Alle Tische unterstanden der Obhut einer Matriarchin, die die Lebensmittel verteilte, die – für alle ersichtlich – die schönsten Stücke für jene beiseite legte, die sich im Rat und auf dem Schlachtfeld ausgezeichnet hatten. Die Fremden wurden zuerst bedient, sogar vor dem Archonten. Ein Pokal, in dem sich Wein mit Wasser gemischt befand, wurde von Person zu Person weitergereicht und er wurde am Ende des Essens wieder neu aufgefüllt. Heraklit spricht nur von gemeinsamen Männermahlzeiten. Höck [55] nimmt jedoch an, daß es in den dorischen Städten auch Frauen – und Kindermahlzeiten gab. [56] Das, was wir über die dauernde Geschlechtertrennung bei den wilden und barbarischen Völkern wissen, bestätigt die Annahme des gelehrten Historikers Kretas. Plutarch [57] lehrt uns, daß bei den gemeinsamen Essen (Syssitien) kein Mitbürger höher gestellt war, als irgend ein anderer. Er nennt sie auch aristokratische Versammlungen (synedria aristokratika). Jene Personen, die an einem gleichen Tisch saßen, gehörten wahrscheinlich zur gleichen Familie. In Sparta bildete die Syssitie eine militärische Division, die auch zusammen kämpfte. Die Wilden und die Barbaren, die es gewohnt waren gemeinsam zu handeln, treten immer in Familien, Clans und Stämmen auf.

Daß jedes Clanmitglied seine Lebensmittelration erhielt, war von so übergroßer Bedeutung, daß das Wort „moira“ – was soviel wie Essensportion eines Mitbewohners heißt – schließlich die Bedeutung der Göttin der Schicksals annimmt, der höchsten Göttin, die auch über den Göttern und Menschen steht und die jedem seinen Existenzanteil verteilt, so wie die Matriarchin der kretischen Syssitien jedem Mitbewohner seinen Lebensmittelanteil zuteilte. Man muß auch anmerken, daß in der griechischen Mythologie das Schicksal in der Person der Frauen auftritt (Moira, Aissa, Keres) [58] und daß ihr Name soviel wie Anteil, der einem jeden bei der Aufteilung der Lebensmittel oder der Beute zukam, bedeutet.

Der primitive Kommunismus, bei dem alle einen gleichen Anteil erhielten, verpflanzt in den Herzen der Wilden das Gleichheitsgefühl so vordergründig, daß sie es sich gar nicht vorstellen können, daß ein anderes Mitglied ihres Stammes auch nur in irgend einer Sache übervorteilt werden könnte. Darwin berichtet [59], daß er, nachdem er einem Wilden im Feuerland eine Wolldecke geschenkt hatte, die dieser zu schätzen schien, überrascht war zu sehen, daß dieser sie in gleichbreite und gleichlange Streifen zerschnitt und sie unter seine Kameraden verteilte. Der Feuerländler machte diese scheinbar absurde Handlung sicherlich nur, um seinem Gleichheitsgefühl und jenem seiner Weggefährten gerecht zu werden.

Als man die ersten Landstriche aufteilte, ging man auf alle Fälle analog vor. Nachdem die Wilden die Oberfläche nicht berechnen konnten, mußte man das Feld in gleich breite und gleich lange Streifen aufteilen; das Landmaß der primitiven Römer, der actus, umfaßte 40 m Länge und 1m 30 Breite. Das Schwierigste bei der Sache war es wegen des unregelmäßigen Geländes gerade Linien zu bekommen und zu diesem Zwecke wurden diese kleinen Landstriche in rechteckiger Form begrenzt; nur die gerade Linie konnte sie zufriedenstellen; sie beeindruckte sie so sehr, daß sie schließlich zu einem Gleichheitssymbol wurde, so wie die Matriarchin, die die Anteile bei den griechischen Syssitien verteilte, zur Personifizierung des Schicksals wurde. In allen europäischen Sprachen und wahrscheinlich in den Sprachen aller Völker dieser Erde, die zum kollektiven und individuellen Eigentum gelangt sind, bezeichnet das gleiche Wort etwas, das in gerader Linie ist, und die Idee der Gerechtigkeit, das Recht an sich. [60]

Rousseau hatte eine geniale Eingebung, als er behauptete, daß „der erste, der ein Stück Land einzäunte, auf den Gedanken verfiel zu sagen: Das gehört mir, und Leute fand, die schlicht genug waren, ihm zu glauben, war der eigentliche Gründer der Gesellschaft“. Solche Denker, deren Scharfblick so tief in die Dunkelheit der Vergangenheit eingedrungen ist, sind äußerst selten.

Schon vor dem Entstehen des Eigentums lebte der Mensch in Gesellschaft, aber erst ab dem Zeitpunkt, als die gemeinschaftliche Landnutzung in familiäres oder kollektives Eigentum und in der Folge in individuelles aufgeteilt wurde, haben sich Sitten und daraus die Zivilgesetze herausgebildet. Das griechische Genie machte aus Demeter, der antiken Göttin der Erde, die Göttin der Landwirtschaft und der Gesetze. – Die ersten landwirtschaftlichen Aufteilungen haben sich in Nationen vollzogen, in denen die Individuen noch nicht durch ihre sozialen Ungleichheiten differenziert waren, und dieser Geist ist wiederzufinden in den Ursitten und in den wilden und barbarischen Gesetzen, die diese Aufteilungen regulierten. So fand auch Aristoteles [61], als er nach dem Ursprung der Entstehung der Politik suchte, diese in der Gleichheit.

Die Stadt, sagte er, ist nur eine Vereinigung gleichwertiger Wesen, die gemeinsam nach einer glücklichen und leichten Existenz suchen. Da der Staat auch nur eine Vereinigung gleichwertiger Wesen ist [...] ist es also richtig, daß die Macht- und Pflichtanteile eines jeden absolut gleich groß sind und genau dies reguliert das Gesetz. [62]

>Die Gesetzgeber zur Zeit des Antonius [63] unterstrichen diese Gleichheit zu Beginn der Gesellschaften, als sie ihr juridisches Axiom formulierten: „Omnes homines natura æquales sunt [Alle Menschen sind von Natur aus gleich]“.

Erst im Verlaufe der historischen Entwicklung führte die Vereinigung der Gleichen in ihrer Gemeinschaft Handwerker, Sklaven und Leibeigene ein; und erst ab diesem Zeitpunkt unterschieden sich die Gleichen unter ihnen durch die Ungleichheit zuerst an Gütern, und in der Folge in der Ungleichheit des Rechts und der politischen Pflichten.

Die Ungleichheit, die Monsieur Huxley zum absoluten Prinzip erhebt, ist ein Phänomen der historischen Entwicklung und kann sich folglich in die eine oder in die andere Richtung entwickeln. Gewisse Wirtschaftsbereiche, wie z.B. das Sklavenmilieu, übertreiben sie; andere wiederum versuchen sie zu verringern. In unserer Gesellschaft stürzen der Spekulationszufall und die kommerzielle und individuelle Konkurrenz die festeingesessendsten Reichtümer um und legen neue gesellschaftliche Stellungen fest. Voltaire, der diese Charakteristik der modernen Gesellschaft erfaßt hatte, meinte dazu etwas zynisch:

Da die Menschen in allen Dingen maßlos sind, wenn sie die Möglichkeit dazu haben, ist die Ungleichheit auf die Spitze getrieben worden. [...] Jeder Mensch hat im Grunde seines Herzens das Recht, sich als den anderen Menschen völlig gleichgestellt zu betrachten. Daraus folgt nicht, daß der Koch eines Kardinals seinem Herren befehlen darf, ihm das Essen zu bereiten. Der Koch kann nur sagen: „Ich bin ein Mensch wie mein Herr; ich bin, wie er, unter Tränen geboren; [...] Die animalischen Funktionen sind bei uns beiden gleich. Wenn sich die Türken Roms bemächtigen, ich dann Kardinal bin, und mein Herr Koch, werde ich ihn in meine Dienste nehmen“. Das ist vernünftig und richtig gesprochen. Aber bis der Großtürke Rom erobert, muß der Koch seine Pflicht tun, oder die ganze menschliche Gesellschaft ist auf den Kopf gestellt. [64]

Konkurse und der Börsenkrach ersetzen die Türken. Die Tendenz zur Gleichheit ist eine der Entwicklungskräfte der modernen Gesellschaften: sie hat bereits das allgemeine Wahlrecht durchgesetzt, eines der Schreckgespenster eines Monsieur Huxley. Dies stellt rechtlich wenn schon nicht tatsächlich die politische Gleichheit her. Die wirtschaftliche Gleichheit wird folgen, wenn die Zeit dafür reif ist.

Monsieur Huxley bezichtigt Rousseau des Ignorantentums. In der Tat mußte dieser Sohn eines Uhrmachers, der sich nur unter schwierigen Umständen bilden konnte, im Laufe seines sehr kränklichen Daseins, das voll von Entbehrungen und Schwierigkeiten war, oft das Fehlen an Kenntnissen durch die Kraft der Vorstellung und Induktion seines Genies ersetzen. Was soll man aber vom gelehrten Professor halten, der über alle Lehr- und Musemöglichkeiten verfügt, jedoch mit einer so perfekten Sicherheit über die Sitten der primitiven Gesellschaften urteilt, die man zu Rousseaus Zeiten zu studieren begann und der die Arbeiten Morgans und Bachofens [65] zu ignorieren scheint?

 

 

Anmerkungen

1. * Erschienen unter dem Titel Rousseau et l’egalité in La nouvelle revue, vol.63/Paris Mars-avril 1890, 319ff. Die Studie ist mit dem Pseudonym „Fergus“ gezeichnet, da die Herausgeberin dieser renommierten republikanischen Zeitschrift bei offen zur Schau getragenen Sympathien für die „Roten“ mit Abonnement-Kündigungen rechnen mußte.
Deutschsprachige Erstveröffentlichung. Übersetzer: Johann Schögler.
Bearbeiter der griechischen Textpassagen: Dirk Schaberg. [Die griechischen Texte sind in dieser on-line Ausgabe mit römischen Buchstaben wiedergegeben.]

2. * Der englische Biologe Thomas Henry Huxley (1825-1895) war ein engagierter Gefolgsmann Darwins. Philosophisch trat er für eine rein induktive Methode der Wahrheitsfindung ein. Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit hatte er eine Fülle von öffentlichen Funktionen – er diente in über zehn Royal Commissions, war erster Sekretär, dann Präsident der Royal Society, Mitglied der Londoner Schulbehörde ...

3. * Herbert Spencer (1820-1903) veröffentlichte bereits 1855, fünf Jahre vor Erscheinen von Darwins Der Ursprung der Arten seine auf evolutionären Prinzipien beruhende Schrift Principles of philosophy [Prinzipien der Philosophie]. Mit seiner zehnbändigen Abhandlung System of synthetic philosophy [System einer synthetischen Philosophie] (1860ff.) propagierte er die Evolutionstheorie in allen Bereichen der menschlichen Gesellschaft und wurde so zum Hauptexponenten einer philosophischen Freibeuter-Theorie.

4. * 1785 in London gegründete britische Tageszeitung.

5. * In dieser Schrift forderte Rousseau, „daß kein Staatsbürger so reich sein darf, einen anderen kaufen zu können, noch so arm, sich verkaufen zu müssen“ (zit. nach: Rousseau – Ein Lesebuch für unsere Zeit, Berlin 1993, 225).

6. * Thomas Hobbes (1588-1679), englischer Materialist der Aufklärung.

7. Hobbes ist derjenige, der am klarsten und mit Nachdruck die Gleichheit der Menschen behauptet hat. Ich empfehle dazu das folgende von Professor Huxley verwendete Zitat:

„Die Natur hat die Menschen hinsichtlich ihrer körperlichen und geistigen Fähigkeiten so gleich geschaffen, daß trotz der Tatsache, daß bisweilen der eine einen offensichtlich stärkeren Körper oder gewandteren Geist als der andere besitzt, der Unterschied zwischen den Menschen alles in allem doch nicht so beträchtlich ist, als daß der eine auf Grund dessen einen Vorteil beanspruchen könnte, den ein anderer nicht ebensogut für sich verlangen dürfte. Denn was die Körperstärke betrifft, so ist der Schwächste stark genug, den Stärksten zu töten – entweder durch Hinterlist oder durch Bündnis mit anderen, die sich in der selben Gefahr befinden wie er selbst.

Und was die geistigen Fähigkeiten betrifft, so finde ich, daß die Gleichheit unter der Menschen noch größer ist als bei der Körperstärke [...] Was diese Gleichheit vielleicht unglaubwürdig erscheinen läßt, ist nur eine selbstgefällige Eingenommenheit von der eigenen Weisheit, von der fast alle Menschen annehmen, sie besäßen sie in höherem Maße als das gewöhnliche Volk“ (Thomas Hobbes: Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines bürgerlichen und kirchlichen Staates, Neuwied und Berlin 1966, 94 [13. Kapitel]).

8. * „a priori“ heißt eine Einsicht, deren Richtigkeit durch die Erfahrung weder bewiesen noch widerlegt werden kann; „a posteriori“ heißt einen Erkenntnis, die aus der Wahrnehmung, der Erfahrung stammt.

9. *1836 gründete eine Gruppe Londoner Handwerker, zu denen Radikale, Owenisten und Gewerkschafter zählten die „Londoner Working’s Association“, die durch eine „Peoples Charta“ eine Kampagne für allgemeines Wahlrecht in Gang setzte. Engels bezeichnete die Chartisten als „die erste Arbeiterpartei unserer Zeit“ (MEW 22, 306).

10. Die letzte offizielle Veröffentlichung der Doomsday returns [Das Jüngste Gericht kommt wieder] aus dem Jahre 1874 zeigt, daß mehr als die Hälfte Englands und der Grafschaft Gallines (an die sieben Millionen Hektar) im Besitz von 4.500 Eigentümern ist. – In der Grafschaft Northumberland, mit einer Oberfläche von 488.000 Hektar, daß zwei Besitzer 115.680 Hektar, d.h. mehr als ein Viertel besitzen. – Die Hälfte Schottlands (3.800.000 Hektar) liegt in den Händen von 70 Eigentümern. – Ein einziger Landlord besitzt alleine schon 530.000 Hektar in Schottland und 13.000 in England. – Fast die Hälfte Irlands (3.850.000 Hektar) befindet sich im Besitz von 744 Eigentümern.

Nach einer Erhebung aus dem Jahr 1774 gehören 29 Millionen Hektar, d.h. ein Fünfzehntel der Gesamtoberfläche Großbritanniens von 1.800.000 Hektar, 12 Eigentümern. Noch niemals gab es in Europa eine derartige Monopolstellung bei Grund und Boden, wenn man vom antiken Italien absieht, als Plinius [*der Jüngere, ?-113] seinen Verzweiflungsschrei ausstieß: „Die Großgrundbesitzer sind der Untergang Italiens!“

11. * Der amerikanische Journalist und Sozialreformer Henry George (1839-1897) sah im Privateigentum an Grund und Boden die wesentliche Ursache für die Not. Seine Lehren hatten starken Einfluß auf die englische und deutsche Bodenreformbewegung.

12. * Walter Scott (1771-1832), schottischer Dichter.

13. * Voltaire (Françoise-Marie Arouet) (1694-1778), einer der Hauptvertreter der Aufklärung und Mitarbeiter an der Enzyklopädie.

14. * Der Premierminister William Gladstone (1809-1898) verbündete sich während seiner zweiten Amtszeit (1880-1885) im Parlament mit der irischen Nationalpartei.

15. Encyclopédie des sciences religieuses [Enzyklopädie der Religionswissenschaften], hrsg. unter der Leitung von L. Lichtenberger, 1878 (Artikel Darwinismus).

16. * Anspielung auf die Verehrung des Goldenen Kalbes während der Abwesenheit von Moses auf dem Berg Sinai zum Empfang der zehn Gebote (Exodus 31ff.).

17. * Antoine Comte de Rivarol (1753-1801), französischer Schriftsteller, emigrierte 1792 nach Hamburg, starb in Berlin.

18. * Extraits du Journal politique et national sind enthalten in: Œuvres complètes de Rivarol, Paris 1808, 4, 1ff.

19. * François René Vicomte de Chateaubriand (1768-1848), bourbonenfreundlicher Staatsmann und anti-aufklärerischer romatischer Dichter (siehe dazu Lafargues Studie Die Anfänge der Romatik).

20. Chateaubriand: Essai historique, politique et moral sur les révolutions anciennes et modernes consideréres dans leur rapport avec la révolution français (Historisch-politischer-moralischer Essay über die ehemaligen und aktuellen Revolutionen in ihrem Bezug auf die französische Revolution), London 1797.

21. * Dominique Joseph Garat (1764-1823), politischer Schriftsteller, Justiz- (1792) und Innenminister (1793).

22. Jean Baptiste Say (1767-1832), Ökonom, Mitglied des Tribunates unter Napoleon Bonaparte von 1799-1804.

23. * Baron Joseph Marie de Gerando (1772-1842), Philosoph und Politiker.

24. * Bernard Germain Étienne de la Ville Comte de Lacépède (1756-1825), Naturforscher.

25. * Abbé Gabriel Bonnot de Mably (1709-1785), Publizist.

26. * Charles des Secondat Baron de la Brède et de Montesquieu (1689-1755), Rechts- und Geschichtsphilosoph.

27. * Barrère Bertrand de Vieuzac (1755-1841) gehörte dem „Comité de Salut public [Wohlfahrtsausschuß]“ vom 6. April 1793 bis 27. Februar 1794 an.

28. * Der Politiker und Ökonom Pierre Louis Roederer (1754-1835) war Mitglied der konstituierenden Versammlung von 1789; unter Napoleon wurde er Verwalter und 1809 in den Grafenstand erhoben.

29. * Pierre Louis Roederer: De la propriété considerée dans ses rapports avec le droits politiques (*Eine Abhandlung über das Eigentum und die damit verbundenen politischen Rechte), Paris 1819; die Conclusion <[Schlußfolgerung] findet sich auf 32ff.

30. * Herzog von Talleyrand (1754-1838), war zuerst Bischof, schloß sich aber der Revolution von 1789 an und war 1797-1807 Außenminister. Er widersetzte sich der Eroberungspolitik Napoleon I., betrieb 1814 die Wiedereinsetzung der Bourbonen und vertrat Frankreich erfolgreich auf dem Wiener Kongreß.

31. Madame de Staël: De la littérature considérée dans ses rapports avec les institutions sociales (Über Literatur, in ihren inneren Verhältnissen mit den gesellschaftlichen Einrichtungen und dem Geist der Zeit), IX (*1800)

* Anne Louise Germain Baronin von Staël-Holstein (1766-1817), Schriftstellerin, Tochter des Finanzministers Necker, von Napoleon I. aus Frankreich verbannt. Nach Frankreich zurückgekehrt sammelte sie die liberale Intelligenz ganz Europas um sich. Ihr Kreis war eines der Entstehungszentren der Romantik (siehe dazu Lafargues Beiträge Die französische Sprache vor und nach der Revolution und Die Anfänge der Romantik in diesem Band).

32. * Lykurgus ist ein sagenhafter, für seine Strenge bekannter Gesetzgeber in Sparta im 9. Jhdt. v.u.Z.

33. Discours de réception á l’Académie française (Rede bei der Aufnahme in die Académie française) am 21. Februar 1782.

* Marie Jean Antoine Nicole Caritat, Marquis de Concordet (1743-1794), Mathematiker, Philosoph und Politiker. 1792 wurde er Deputierter des Konvents, stimmte zunächst mit Danton, später mit den Girondisten.

34. * Jacques Necker (1732-1804) schweizer Großbankier, der sich aus dem Finanzgeschäft zurückzog und ökonomische Studien verfaßte. 1788-1790 war er französischer Finanzminister.

35. * Details dieser Polemik finden sich im IV. Abschnitt der Studie Lafargues über Die christliche Liebestätigkeit.

36. Traité élémentaire de métaphysique et de morale (Grundlegende Abhandlung über die Metaphysik und die Moral), X.

* Jacques Henri Bernardin de Saint Pierre (1787-1814) ein Freund Rousseaus, der romantische Novellen schrieb.

37. * Hier zit. nach Rousseau, 96.

38. Thomas Hobbes: Élements philosophiques du bon citoyen ou les fondements de la société civile, übersetzt ins Französische von M. Sorbières, Amsterdam 1649 (* hier zit. nach Thomas Hobbes: Vom Menschen – vom Bürger [Elemente der Philosophie II/III], Hamburg 1959, 82f.).

39. * Die Stoiker wollten „im Einklang mit der Natur leben“, in einem Zustand der „Apathie“, der „Affektfreiheit“ die Glückseligkeit erreichen.

40. * Julius Cäsar: Der gallische Krieg, hrsg. von Otto Schönberger, München-Zürich 1990, 285 (VI/ 22)

41. * Mountstuart Elphinstone (1779-1859) war Historiker und zugleich einer der Baumeister des britischen Empires in Indien und Afghanistan.

42. M(*ountstuart) Elphinstone: An account of the Kingdom of Cabul [*Ein Bericht über das Königreich von Kabul], 1837 (*erste Ausgabe 1815), 2, 15-22

43. * Lewis Henry Morgan (1818-1881), nordamerikanischer Soziologe, befaßte sich über 40 Jahre mit primitiven Gesellschaften. Seine Erkenntnisse faßt er in dem Standardwerk Ancient society or researches in the lines of human progress from savagery through barbarism to civilization (London 1877, New York 1878 [deutsche Fassung: Die Urgesellschaft, Stuttgart 1908 (Reprint: Wien 1987)]) zusammen.

44. * Johann Heckewelder verfaßte das Buch Nachricht von den Geschichten, den Sitten und Gebräuchen der indianischen Völkerschaften, die ehemals Pennsylvanien und die benachbarten Staaten bewohnten (Göttingen 1821, Reprints: Philadelphia 1819, Kassel 1975).

45. * George Catlin (1796-1872), Maler und Ethnograph, veröffentlichte 1841 Letters and notes on the manners, customs and conditions of the North American Indians [Briefe und Anmerkungen über die Sitten, Gebräuche und die Lage der nordamerikanischen Indianer] mit 300 Stahlstichen.

46. * Nordamerikanische Indianer aus der Sprachgruppe der Sioux.

47. * Landschaft im südöstlichen Peloponnes mit der Hauptstadt Sparta.

48. * Constantin François de Chassebœuf Comte de Volney (1757-1820), Politiker, Historiker, Forschungsreisender. Sein Buch Über das Klima und den Boden der Vereinigten Staaten erschien 1803.

49. * Cornelius Tacitus: Agricola – Germania, hrsg. von Alfons Städele, München-Zürich 1991, 89 (VIII/ 2)

50. * Griechisch „syssitia“, gemeinschaftliche Mahlzeit der Männer.

51. * Heraklit von Pont (4. Jhdt. v.u.Z.), griechischer Philosoph, der als erster eine Drehung der Erde um die eigene Achse angenommen hat.

52. * Plato (428-348) Begründer der idealistischen Philosophie.

53. * Die Tischgemeinschaften der Kreter werden auch in Aristoteles: Die Lehrschriften, hrsgg. von Paul Gohlke, Paderborn 1959, 7/4 (Politik), 100ff. (II/10), geschildert.

54. * Höchster Beamter in den Städten der Antike.

55. * Carl Höck war Professor an der Universtät Göttingen und Sekretär der Hofbibliothek.

56. * „Es mag sein,“ schreibt Höck in seinem Buch Kreta – Versuch zur Aufhellung der Mythologie und Geschichte der Religion und Verfassung dieser Insel von den ältesten Zeiten bis auf die Römer-Herrschaft (Göttingen 1823-1829), „daß die Jungfrauen – an verheiratete Frauen ist nicht zu denken – in anderen dorischen Staaten [außer in Kreta und Sparta], wo sie auf ähnliche Weise, wie die Jünglinge, ihre täglichen Leibesübungen und Spiele hatten und gleichfalls zu Agelen vereinigt wurden, auch in Syssitien speisten“. Seine Schlußfolgerung lautet jedoch: „Alles dies zusammengenommen, macht die neuere Meinung höchst unwahrscheinlich, welche die Weiber mit den Männer in denselben Syssitien sitzen läßt“ (3, Das dorische Kreta, 124).

57. * Mestrius Plutarchus (46-~125), philosophischer Schriftsteller.

58. Symp. T. VIII, 851 (bei Höck) * Bei Hesiod gibt es drei „Moiren“: Klotho, die Spinnerin, Lachesis, die das Los zuteilende und Atropos, die Unabwendbare; „Keren“ sind die dunkelfarbigen Todesgöttinnen der Schlacht. „Aisa“ verkörpert das Schicksal.

59. * In: Charles Darwin: Voyage of a naturalist around the world, 1846; deutsche Fassung Reise eines Naturforschers um die Welt (Stuttgart 1962), 401, ähnlich 395.

60. * Vgl. dazu Lafargues Studie Der Ursprung der Idee des Gerechten und Ungerechten; in: Neue Zeit, XVII/2 (1898-99), 421ff., 464ff., 488ff..

61. * Aristoteles (384-322 [?]) ist philosophischer Repräsentant der griechischen Kultur während ihrer Hochblüte. Er begründete die peripatetische Schule (von „peripatos [Wandelgang]“)

62. Politique d’Aristotle übersetzt von B. Saint-Hilaire, 1848, 3, XI, § 2 und 4, VII, § 2.

63. * Marcus Antonius (121-180), römischer Staatsmann, Gefolgsmann des Cäsar, schloß das Trimvirat mit Octavian und Lepidus und erhielt 40 v.u.Z. die östliche Reichshälfte; er unterlag Octavian (dem späteren Kaiser Augustus) 31 bei Actium.

64. Dictionnaire philosophique de Voltaire: article Égalité (*hier zit. nach Voltaire: Philosophisches Wörterbuch, Leipzig 1984, 173).

65. * Der Rechts- und Altertumsforscher Johann Jakob Bachofen (1815-1887) verfaßte das ethnologische Standardwerk Das Mutterrecht, eine Untersuchung über die Gynäkokratie [Frauenherrschaft] der alten Welt nach ihrer religiösen und rechtlichen Natur (Stuttgart 1861) (siehe dazu Lafargues Studie Das Mutterrecht).

 


Zuletzt aktualisiert am 12.4.2004