Heide von Felden
"Rousseau, der sich des Herzens bemächtigte, weil er die
Tugend zur Leidenschaft machte" (Sophie von La Roche)
Zur Rousseau-Rezeption in Schriften von Frauen in
Deutschland im 1800
Zur Rousseau-Rezeption in der Frauenforschung
Jean Jacques Rousseau hat mit seinen Gedanken zur "modernen" Pädago-
gik, zur Kritik der Zivilisation, mit seinem Liebesroman "Julie oder Die
neue Héloïse" und seinen Schriften zur Politik das ausgehende 18.
Jahrhundert in Europa nachhaltig beeinflußt. Er wurde in der Zeit
zwischen 1760 und 1830 breit rezipiert, was Ursula Link-Heer dazu
bewog, für die Spätaufklärung, den Sturm und Drang und die Romantik
von einer "Rousseau-Zeit" zu sprechen (Link-Heer, 1986, 132). Ein
unvergleichlicher Personenkult und einerseits schwärmerische
Begeisterung, andererseits intensive Anfeindung kennzeichnen die
Rousseau-Rezeption, die unter diesen Aspekten in Frankreich, England
und Deutschland gleichermaßen anzutreffen war.
Der Einfluß Rousseaus auf Philosophen und Literaten des deutschen
Sprachraums im ausgehenden 18. Jahrhundert (u.a. Lessing,
Mendelssohn, Kant, Fichte, Wieland, Herder, Klinger, Hölderlin, Jean
Paul, Kleist), sowie auf Pädagogen dieses Zeitraums (u.a. Campe,
Basedow, Pockels, Brandes) ist in zahlreichen Untersuchungen erforscht.
Weitgehend vernachlässigt aber waren in der bisherigen Forschung die
Reaktionen zeitgenössischer Frauen auf Rousseau. Ein Grund dafür mag
darin liegen, daß Schriften von Frauen dieser Zeit nur marginal bekannt
waren, ein anderer, daß die Dilettantismus-Debatte um 1800 und das Ver-
dikt, Frauen schrieben vorwiegend Trivialliteratur lange Zeit die etablierte
12
Forschung in der Literaturwissenschaft davon abhielt, Schriften von
Frauen in den Blick zu nehmen.
Erst in den letzten Jahren entdeckt die historische Frauenforschung eine
Vielzahl zeitgenössischer Schriften von Frauen und macht sie der For-
schung zugänglich. Die Bibliographie von Helga Gallas und Anita Runge
etwa nennt für den Zeitraum zwischen 1770 und 1810 im deutschen
Sprachraum 396 selbständige Veröffentlichungen von 110 Autorinnen
(Gallas/Runge, 1993).
Schriften von Frauen als Quellen heranzuziehen, zeigt das Interesse der
neueren Frauenforschung, die Perspektiven der Frauen selber kennenzu-
lernen, sie als Handelnde und Mitwirkende am gesellschaftlichen Diskurs
zu betrachten und nicht mehr ausschließlich als Opfer von
Zuschreibungen.
Die Perspektive auf die Zuschreibungen und Einschränkungen leitete den
Blick der Frauenforschung in den 80er Jahren, die damit wichtige Er-
kenntnisse über die Entstehung der Geschlechtscharaktere und die
"natürliche" Bestimmung der Frau zur Gattin, Mutter und Hausfrau
hervorgebracht hatte. Schriften von männlichen Philosophen und
Pädagogen wie Kant, Fichte, Campe, Pockels und auch Rousseau wurden
ideologiekritisch interpretiert und in Hinsicht auf ihre Einschränkungen
für Frauen ausgewertet.
Jean Jacques Rousseau galt in dieser Forschungsperspektive lange Zeit
als der Vertreter der Repression Frauen gegenüber (vgl. Bovenschen,
1979; Prokop, 1989). Vor allem das 5. Buch der Erziehungsschrift
Rousseaus "Emile oder Von der Erziehung" wurde herangezogen, um die
Einschränkungen, denen Frauen durch die Bestimmungen Rousseaus
unterworfen waren, zu belegen. Für Ulrike Prokop hat die
ideologiekritische feministische Forschung der Rousseauschen Schriften
die
"[...] Einschränkungen offengelegt, die das Rousseausche Erzie-
hungsmodell für Frauen verlangt. Die drei Kategorien Scham statt
Vernunft, Sanftmut statt Kampf, verborgen statt öffentlich wurden
auf die Herausbildung bürgerlicher Subjektivität bezogen und als
Zerstörung der weiblichen Individuierung interpretiert. Nach
dieser Deutung trägt das weibliche Persönlichkeitsbild deutlich die
Züge der Minderwertigkeit, der Zweitrangigkeit." (Prokop, 1989,
86)
13
Mit Christine Garbe (1983 und 1992), Lieselotte Steinbrügge (1987) und
Juliane Jacobi (1990) haben Frauenforscherinnen auch Interpretationen
von Schriften Rousseaus vorgelegt, die diese These von der Repression
relativierten. Sie gingen von dem Gedanken aus, daß das Spezifische an
Rousseaus Schriften deren Uneindeutigkeit und Vielschichtigkeit sei.
Vor diesem Hintergrund war es höchst interessant, die Reaktionen von
zeitgenössischen Frauen auf Rousseau als Frauenfeind Nr. 1 zu untersu-
chen. Frauenforscherinnen der historischen Pädagogik, der Literatur-
wissenschaft und der Geschichte formulierten dieses Thema, so beispiels-
weise die historisch-pädagogische Frauenforscherin Pia Schmid, die 1992
schrieb:
"Ich möchte [...] fragen, warum sich Rousseaus Deutung des Ge-
schlechterverhältnisses bzw. sein Frauenbild durchgesetzt haben,
besonders, warum Frauen, Zeitgenossinnen Rousseaus, sie
akzeptiert haben könnten. [...] was [könnte] (bürgerlichen)
Frauen, die sich als schön, listig, kokett, schamvoll, abhängig usw.
definiert fanden, an diesem uns heute einseitig bis repressiv
erscheinenden Entwurf gefallen haben". (Schmid, 1992, 849)
In meiner Dissertation habe ich Antworten auf diese Fragen gefunden und
möchte einige Ergebnisse im folgenden darstellen.
Bei der Untersuchung der Frage, wie zeitgenössische Frauen Gedanken
Rousseaus rezipiert haben, bin ich von folgenden Entscheidungen ausge-
gangen:
1. Ich nahm nur Schriften in die Untersuchung auf, in denen Rousseau
explizit erwähnt wurde oder die eine auf ihn sich beziehende
Formulierung enthielten. Dabei legte ich fünf Reiseberichte, neun
Abhandlungen, zwölf Romane und zahlreiche Briefe aus zwölf
veröffentlichten Briefsammlungen zugrunde. Schriften von 20
Autorinnen wählte ich aus, die vorwiegend aus dem gehobenen
Bürgertum und dem Adel stammten und als Schriftstellerinnen,
Erzieherinnen, Journalistinnen, Herausgeberinnen und
Schauspielerinnen tätig waren. Ich nenne hier die Namen, ohne daß
ich in der folgenden Darstellung der Ergebnisse auf jede einzelne
eingehe:
Susanne von Bandemer, Emilie von Berlepsch, Elisabeth Eleonore
Bernhardi, Friederike Brun, Elise Bürger, Marianne Ehrmann,
14
Caroline Flachsland, Albertine von Grün, Amalia Holst, Therese
Huber, Susanna Barbara Knab, Luise Mejer, Elisa von der Recke,
Sophie von La Roche, Dorothea Schlegel, Caroline Schlegel-
Schelling, Agnes von Stolberg, Friederike Helene Unger, Jenny von
Voigts, Sophie Helmine Wahl.
2. Ich verstand Rezeption als subjektive Interpretation bestimmter Inhalte
und legte von daher mein Augenmerk auf den "Eigensinn", den die
Autorinnen mit Rousseau verbanden. Ich fragte nicht danach, ob Rezi-
pientinnen ihn "richtig", "falsch" oder angemessen verstanden hatten,
sondern entnahm ihren Schriften ihre subjektive Deutung
Rousseauscher Inhalte.
3. Dabei interpretierte ich ihre Aussagen vor dem Hintergrund des Den-
kens der Aufklärung und erläuterte Wortbedeutungen im Rahmen zeit-
genössischer Diskurse.
4. Diese Historisierung der Interpretation erschien mir eine wichtige Er-
gänzung der Frauenforschung, da sie z.T. historische Phänomene mit
heutigen Kategorien interpretiert. Ich möchte das kritisieren, weil
dieses Vorgehen zu Ergebnissen führt, die der historischen Situation
überwiegend nicht angemessen sind. So plädiere ich dafür, Frauen der
Geschichte nicht unter dem Gesichtspunkt eines zu bewundernden
Vorbildes der Emanzipation oder einer abzulehnenden Unterstützerin
des Patriarchats zu untersuchen, sondern sie anhand zeitgenössischer
Kriterien zu interpretieren.
Zeitgenössische Frauen rezipierten Roussseau vor allem unter den
Begriffen Tugend, Gefühl, Abwehr von Leidenschaften und Erziehung.
Um mein Vorgehen der Historisierung der Interpretation deutlich zu
machen, wähle ich für diesen Aufsatz die Darstellung der Rousseau-
Rezeption zeitgenössischer Frauen in Deutschland unter diesen Begriffen.
Ich verzichte hier auf die Darstellung ihrer Auffassungen zu den Themen
Geschlechterbeziehung, Französische Revolution, Rousseau als Person
und seine zeitgenössische Rezeption, die die Frauen ebenfalls in ihrer
Rousseau-Rezeption thematisieren. Ich beginne mit der Darstellung
einiger Implikationen aufklärerischen Denkens.
15
Tugend und Glückseligkeit als Begriffe der Aufklärung
"Das achtzehnte Jahrhundert ruht, in seiner Dichtung wie in
seiner Philosophie und Wissenschaft, in einer festen und fertigen
Formwelt aus. In dieser Welt findet es die Wirklichkeit der Dinge
gegründet und ihren Wert beschlossen und gesichert. Es erfreut
sich an der eindeutigen Bestimmtheit, an dem klaren und scharfen
Umriß der Dinge, an ihrer sicheren Umgrenzung; und es sieht die
Fähigkeit zu solcher Bestimmung und Umgrenzung zugleich als
höchste subjektive Kraft des Menschen, als die Grundpotenz der
'Vernunft' selbst an." (Cassirer, 1932, 7/8)
Diese Worte schrieb Ernst Cassirer 1932. Er charakterisierte damit die
Auffassung des 18. Jahrhunderts, das in der Beherrschung, in der
Machbarkeit, in der Eindeutigkeit aller Möglichkeiten das eigene
Selbstbewußtsein ausdrückte. Selber Ziele, Verhaltensweisen und
Lebensformen bestimmen und umsetzen zu können, galt als Ausdruck der
neuen Mündigkeit der Menschen, die sich aus traditionalen
Abhängigkeiten befreien wollte.
Selbstbestimmung und Mündigkeit waren die Kategorien, auf die man
stolz war. Der Mensch konnte qua seiner Vernunft selbst bestimmen, zu
welchem Zweck und wie das Leben der Menschen im geselligen
Zusammenhang eingerichtet werden sollte.
Die zeitgenössische Diskussion definierte den Begriff Aufklärung
erstmals in der September- und Dezember-Ausgabe der Berlinischen
Monatsschrift 1784, in der Moses Mendelssohn und Immanuel Kant ihre
Aufsätze veröffentlichten. Gleichwohl hatte das aufklärerische Denken
bereits Ende des 17. Jahrhunderts begonnen. Man diskutierte seitdem die
Verbesserung des gesellschaftlichen Zustandes eines Volkes, indem man
vernünftige Ziele bestimmte und Veränderungen auch und vor allem in
erzieherischer Hinsicht plante. Der "vernünftige" Mensch, der das Gute
will und danach lebt, war Ziel der Gesellschaftserneuerer.
Die Aufklärung hatte eine eher rationalistische Phase in der ersten Hälfte
des 18. Jahrhunderts und eine eher gefühlsbetonte Phase ab der Jahrhun-
dertmitte. Allerdings betont die neuere Forschung die Wichtigkeit, beide
Strömungen in ihrer wechselseitigen Bedingtheit zu sehen (vgl. Grimmin-
ger, 1984). Grimminger versteht in diesem Sinn Aufklärung als
übergeordnete Kategorie eines Denkens, das das 18. Jahrhundert
16
bestimmt und mit der Spätaufklärung, in der die Kritik an eigenen
Grundsätzen und Widersprüche mitgedacht wurden, über sich
hinausweist.
Was war nun der Endzweck, und was bedeutete vernünftiges Verhalten?
Im Sinne der Vernunft galt als Endzweck die "Glückseligkeit" und als
vernünftige Verhaltensweise die der "Tugend". Die Verknüpfung von
Tugend und Glückseligkeit wurde in der Aufklärung besonders betont. 1
Gellert schrieb 1784:
"Wenn die Glückseligkeit in dem Genusse des höchsten und dauer-
haften Guten bestehet, dessen ein Mensch fähig [...]: so lehret uns
alles, unser Herz und die Erfahrung, dasz die Tugend der einzige
und sichre Weg zu unsrer Glückseligkeit sey; oder dasz uns der
Besitz und die Ausübung der Tugend die höchsten und
beständigsten Freuden gewähre." 2
Mit dem Begriff der "Glückseligkeit" hatte man einen Begriff für die
Utopie des Guten, Richtigen, Anzustrebenden definiert. Mit dem Begriff
der Tugend benannte man die Mittel, um diese Glückseligkeit zu
erreichen. Wie sehr die Utopie der "Glückseligkeit" die Menschen
bewegte, läßt sich an der Häufung des Begriffs in zeitgenössischen
Texten ablesen.
Die zeitgenössische Bedeutung des Begriffs speiste sich aus der
Auffassung von der Perfektibilität des Menschen, der Fähigkeit, sich zu
vervollkommnen. Man ging davon aus, daß die Vervollkommnung in der
Natur des Menschen angelegt sei und es deshalb vernünftig sei, einen
Zustand der Vollkommenheit oder der Glückseligkeit (vgl. Grimminger,
1984, 17 und Sauder, 1974, 103) anzustreben. Glückseligkeit war nicht
nur ein Begriff individuellen Glücks, sondern zielte auf das "ungestörte
'Gemeinwohl' von Gesellschaft und Staat" (Grimminger, 1984, 17). Die
soziale Harmonie war ein wesentlicher Bestandteil der Idee. Ebenso galt
für den Begriff der Gedanke der "Zufriedenheit" (vgl. Sauder, 1974,
125ff) als Zustand der maßvollen Einbeziehung aller Kräfte und des
Mittelmaßes.
1 Vgl. Wörterbuch der Brüder Grimm, Stichwort "Tugend", S.1604
2 Chr. F. Gellert (1784), zitiert nach Grimms Wörterbuch, ebd.
 
17
Als Tugenden wurden eine Reihe von Verhaltensweisen definiert,
mithilfe derer die Lebenspraxis vernünftig einzurichten und ein Leben in
Glückseligkeit zu erlangen war. Nach Grimminger gehörten zum
moralischen Tugendgebot von Anfang an Appelle zur Nützlichkeit,
Wirtschaftlichkeit, zum Fleiß und zum Pflichtbewußtsein, die Appelle
bürgerlicher Ökonomie sind, und ebenso Appelle zu Mitleid,
Menschenliebe und Echtheit, Appelle allgemeiner Humanität, deren
Widersprüche zwar nicht im zeitgenössischen Bewußtsein, doch in der
Weiterentwicklung zutage traten und kollidierten. Grimminger nannte
dies die innermoralische Dialektik der Aufklärung. (Grimminger, 1984,
20)
Über das Ziel "Glückseligkeit" und den Weg "moralische Besserung" war
man sich im zeitgenössischen Bewußtsein weitgehend einig. Der Weg
über den moralischen Appell an die Menschen, "stets die Gesetze des
Guten, Schicklichen und Ehrbaren zu wahren" (Grimminger, 1984, 18),
überzeugte offenbar, wie an dem breiten Konsens über moralische
Erziehung und Aufklärung ablesbar ist.
Die Moral hatte traditionell die Funktion, als Regulativ der Gesellschaft
zu dienen und die Verkehrsformen zu bestimmen. Im 18. Jahrhundert
hatte sie diese Funktion vor allem in der Kritik an höfischer
Repräsentation, gegen die bürgerliches Selbstbewußtsein die neuen Werte
der Tugend und Vernunft setzte. Sich auf die Tugend zu beziehen, hatte
also vor allem einen antihöfischen Impetus und drückte die Kritik an den
höfischen "überlebten" Gesellschaftsformen aus, gegen die die neuen,
moralisch integeren Beziehungsformen gesetzt wurden. 3
Elias (Elias, 1981) machte an den Begriffen "Kultur" und "Zivilisation"
die zeitgenössische Antithese zwischen bürgerlicher und höfischer
Weltanschauung fest. Er führte Kant an, der 1784 in seinen "Ideen zu
einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht" geschrieben
hatte:
"Wir sind in hohem Grade durch Kunst und Wissenschaft
kultiviert, wir sind zivilisiert bis zum Überlästigem zu allerlei
gesellschaftlicher Artigkeit und Anständigkeit. [...] Die Idee der
3 Vgl. zum kritischen und gleichzeitig abhängigen Verhältnis von bürgerlicher oral und
höfischer Form das Kapitel "Höfische Rationalität und bürgerliche Kontrafaktur" in Mog,
1976, S. 36-46
 
18
Moralität gehört zur Kultur. Der Gebrauch dieser Idee aber,
welcher nur auf das Sittenähnliche in der Ehrliebe und die äußere
Anständigkeit hinausläuft, macht bloß die Zivilisierung aus." 4
Die deutsch sprechende bürgerliche mittelständische Intelligenzschicht
dachte im ausgehenden 18. Jahrhundert in Leistungskategorien vor allem
geistiger und wissenschaftlicher Art und kritisierte die französisch spre-
chende Oberschicht des Adels, die in ihren Augen nichts "leistete",
sondern überwiegend ihr Selbstbewußtsein aus ihrem Habitus bezog. Die
bürgerliche Weltanschauung legitimierte sich durch Bildung und Tugend
und polemisierte gegen das äußerliche, oberflächliche Verhalten an den
Höfen.
Vierhaus faßte die Grundelemente bürgerlicher Weltanschauung wie folgt
zusammen:
"Grundelement der bürgerlichen Welt- und Lebensanschauung
war die Betonung der Persönlichkeit, deren Wert und Rang nicht
durch Geburt und Zugehörigkeit zu Stand und Verband, sondern
durch die unveräußerliche Menschenwürde, durch Leistung und
Verdienst, also durch den Grad der Verwirklichung menschlicher
Möglichkeiten innerhalb der Gesellschaft bestimmt ist. Eine solche
Persönlichkeit kann sich nur in Freiheit von Fremdbstimmung
entwickeln; sie bewährt sich im Wettbewerb um Ansehen und
Gewinn, hat jedoch ihren Grund in Selbstachtung. Diese aber ist
nur möglich, wenn der einzelne über Eigentum oder Können
verfügt. Die sozialen Beziehungen der Menschen untereinander
werden rationalisiert und funktionalisiert, moralisiert und
sentimentalisiert, also nicht als gegeben hingenommen, sondern
als Aufgabe der Gestaltung im Interesse des einzelnen Menschen
begriffen. Die geburtsständische Ordnung wird nicht negiert, aber
doch zunehmend als nicht der Natur des Menschen entsprechend
angesehen. Gesellschaft erscheint demnach als natürlicher
Verband von Menschen, als Zweckverband zur Befriedigung
sozialer Bedürfnisse, als Kommunikationsverband, in dem die
Menschen zur Verwirklichung ihrer Möglichkeiten gelangen."
(Vierhaus, 1982, 33)
4 Kant, zitiert nach Elias (1981), Bd.1, S. 8
 
19
Dabei kann sozialgeschichtlich allerdings nicht von einem Gegensatz
zwischen Bürgertum und Adel gesprochen werden. Der Gegensatz bezog
sich zeitgenössisch nicht auf die soziale Verortung der beiden Stände,
sondern eher auf die Ebene von Welt- und Lebensanschauungen. Zwar
war die Schicht der bürgerlichen Gebildeten am ehesten an der
Verbreitung bürgerlicher Moralauffassungen interessiert, doch auch
Adelige übernahmen im letzten Drittel des Jahrhunderts zunehmend diese
Anschauung.
Auch in der Rousseau-Rezeption zeitgenössischer Frauen drückt sich aus,
daß Adelige bürgerliche Weltanschauungen übernahmen. Elise von der
Recke, Agnes von Stolberg und Emilie von Berlepsch sind Beispiele
dafür.
Die Frauen, die im ausgehenden 18. Jahrhundert Rousseau in ihren
Schriften erwähnten, waren stark beeinflußt durch das Denken der
Aufklärung. Begriffe wie Glückseligkeit, Tugend, Gefühl, Abwehr von
Leidenschaft und Erziehung spielten in ihrer Rousseau-Rezeption eine
zentrale Rolle. Rousseau wurde von den Autorinnen als "moderner"
Pädagoge, als "Liebhaber der Tugend", als Schriftsteller, der das Gefühl
aufwertet, aber auch als "Verführer zur Leidenschaft" aufgenommen.
Glückseligkeit und Tugend in der Rousseau-Rezeption zeitgenössischer
Frauen
Der Begriff "Glückseligkeit" wird als Maßstab und Ziel anzustrebenden
Verhaltens von Sophie Helmine Wahl, Amalia Holst, Marianne Ehrmann,
Susanne von Bandemer, Caroline Flachsland und Elisa von der Recke in
ihrer Rousseau-Rezeption erwähnt. Die Autorinnen ordnen sich damit in
den zeitgenössischen aufklärerischen Diskurs ein.
Sophie Helmine Wahl läßt ihre Romanfigur Auguste in ihrem Roman
"Adolphine" (Wahl: Adolphine, 1794) "kluges und pflichtbewußtes
Verhalten" als "Beitrag zur ungestörten Glückseligkeit" (ebd., 134)
ansehen. Auguste wirkt in diesem Sinn auf die schwärmerisch von
Rousseau begeisterte Adolphine ein.
Amalia Holst interpretiert in ihren "Briefen über Elisa" (1799/1800), in
denen sie Rousseaus "Nouvelle Héloïse" mit dem Roman "Elisa oder das
Weib, wie es seyn sollte" von Caroline von Wobeser vergleicht, daß der
"leidenschaftliche Character des St.Preux [...] ihr [Julie] kein so sicherer
20
Gewährleister künftiger Glükseeligkeit als der ruhige, edelmüthige, ver-
nünftige Character, des treflichen Wolmar's" (Holst: Briefe, 215) wäre.
Zudem sei die Entsagung Julies St.Preux gegenüber ein "Opfer wahrer
Kindespflicht" (ebd., 214), um nicht ihre "Glückseligkeit und das schöne
Einverständnis einer glücklichen Familie aufs Spiel zu setzen" (ebd.,
216).
Im Sinne der Vernunft und des Pflichtbewußtseins findet Julies
Verhalten, Wolmar zu heiraten, Amalia Holsts ganzen Beifall. Sie sieht in
diesem tugendhaften Verhalten Julies die Möglichkeit zum glücklichen
und vernünftigen Leben.
Marianne Ehrmann, die sich mit ihrer Schrift "Philosophie eines Weibs"
(1784) auf den "Emile" bezieht, geht davon aus, daß die leidenschaftslose
Liebe einer "vernünftigen Frau größere Zufriedenheit und Glückseligkeit"
(Ehrmann: Philosophie, 66) gebe. Ehrmann sieht in der Ehe als Freund-
schaft eine Gemeinschaft zur Glückseligkeit und zählt Gefälligkeit, Zärt-
lichkeit und Treue zu den Tugenden, die für die "Glückseligkeit zweyer
Herzen nöthig" (ebd., 71) seien.
Ehrmann legt Wert auf Leidenschaftslosigkeit und gemäßigte Gefühle als
Voraussetzungen eines guten Lebens. Rousseaus "Emile" gilt ihr als Kon-
zept zur sittlichen Erziehung junger Mädchen und Frauen, die moralische,
"denkende Liebe" statt leidenschaftlicher Liebe lernen sollen.
Auch Susanne von Bandemer läßt in ihrem Roman "Klara von Bourg"
(1798) die Freundin dieser Klara von "vorsichtiger Klugheit" als der
"Basis unserer Ruhe und unseres Glücks" (von Bandemer: Fortsetzung
der Klara von Bourg, 169) sprechen, der Leidenschaften verhängnisvoll
werden könnten.
Schließlich erhofft sich Caroline Flachsland Glückseligkeit dadurch ,
"gute Menschen bilden zu helfen" (Schauer, Bd. 1, 316/317), wobei ihr
Rousseaus "Emile" als Bezugspunkt gilt. Auch in den Armen ihres
Herder ersehnt sie sich Glückseligkeit, selbst wenn Rousseau schreibe,
daß es "keine dauerhafte Glückseligkeit gäbe", wie Flachsland verzweifelt
mitteilt. Glückseligkeit gilt ihr als vernünftiger, nützlicher Lebenszweck
und als Glück und Zufriedenheit verheißende Lebensform.
21
Wenn Elise von der Recke meint, daß "nur im kultivierten Mittelstande
[...] wahre Glückseligkeit" 5 sei, so ist damit die Meinung einer Adeligen
ausgesprochen, die den bürgerlichen Stand bevorzugt und die Idee
vertritt, daß von hieraus ein wirklich glückliches Leben für die Menschen
auch in ihrer gesellschaftlichen Ordnung zu entwickeln sei.
Alle genannten Autorinnen erstreben "Glückseligkeit", die als Ziel nicht
in Frage gestellt, aber auch nicht definiert wird. Und allen geht es darum,
für Verhaltensweisen zu plädieren, die Glückseligkeit versprechen. Dazu
gehören: Klugheit (Sophie Helmine Wahl und Susanne von Bandemer),
Pflichtbewußtsein (Sophie Helmine Wahl und Amalia Holst),
Nützlichkeit (Caroline Flachsland) und auf jeden Fall
Leidenschaftenschaftslosigkeit (Marianne Ehrmann, Susanne von
Bandemer und Amalia Holst).
Vernünftiges, ruhiges, leidenschaftsloses Verhalten gilt als Moment per-
sönlicher Zufriedenheit und wird neben Pflichtbewußtsein und Nützlich-
keit als gesellschaftliche Kategorien der Glückseligkeit zum Maßstab ge-
setzt.
Die Autorinnen sind ganz von tugendhaften Denk- und Verhaltensweisen
in den genannten Bedeutungen durchdrungen. Es ist für sie sinnvoll,
tugendhaft zu leben, weil sie damit an der Kultivierung der Gesellschaft
und am eigenen vernünftigen, glückseligen Leben in der Gesellschaft
mitwirken.
Wenn Claudia Honegger 1991 vom "Tugenddünkel" spricht als
"'Erlösung' für die reinen Frauen, denen Nicht-Einmischung und
gesellschaftliche Verantwortungslosigkeit jede Verstrickung ins
Weltgeschehen, ins große Böse strukturell versperren und ersparen"
(Honegger, 1991, 37) könne und wenn sie diese Sätze auf "weibliche
Selbstreflexion um 1800" münzt, so bezieht sie die aufklärerische
Bedeutung des Begriffes "Tugend" im ausgehenden 18. Jahrhundert nicht
mit ein. Sie mißversteht also für das 18. Jahrhundert die Intentionen, die
Frauen in ihren Schriften mit dem Begriff Tugend verbinden.
Tugendhaftes Verhalten hat im damaligen Zusammenhang nichts mit
Weltenthaltung zu tun, im Gegenteil: die Mitwirkung an der Kultivierung
der Gesellschaft soll gerade über tugendhafte Erziehung und Bildung
5 von der Recke: Tagebücher. Zit. nach Träger, 1984, 14
 
22
geschehen, den Mitteln, denen konkrete gesellschaftliche Veränderungs-
möglichkeiten zugesprochen werden. Tugend hat durch die Erziehung der
Menschen eine gesellschaftseingreifende Funktion und wird
hochgeschätzt.
Eine Reihe von Rezipientinnen nimmt Rousseau als Gedankengeber
tugendhaften moralischen Verhaltens wahr.
Sie nennen ihn "Liebhaber der Tugend", charakterisieren ihn als Förderer
tugendhaften Verhaltens und interpretieren ihn als Gleichgesinnten und
Vorbild für die gemeinsame Sache moralischer Besserung. Rousseau gilt
als Vorkämpfer für das Gute und als beispielgebender Autor, dem
nachzueifern sei.
Sophie von La Roche schreibt 1793 in ihren "Erinnerungen aus meiner
dritten Schweizerreise" einen Satz, der Rousseau als gefühlvollen
Liebhaber der Tugend charakterisiert:
"Rousseau, der sich des Herzens bemächtigte, weil er die Tugend
zur Leidenschaft machte". (La Roche: 3. Schweizerreise, 1793,
72/73)
Rousseau also verhelfe der Tugend zur größten Wirksamkeit. Die
Menschen sind in ihrem Gefühl getroffen, sind überzeugt von dem
Gedanken der Tugend bei Rousseau. Der Begriff "Leidenschaft", den La
Roche sonst sehr abschätzig verwendet, soll hier die Faszination der
Menschen für die Tugend ausdrücken, die Rousseau bewirkt habe.
Rousseau befördere die Tugend und helfe mit, sie den Herzen der
Menschen einzuprägen.
Eine fast gleiche Formulierung wählt Emilie von Berlepsch, die von
Rousseau als einem sprach, "der die Tugend leidenschaftlich liebte" (von
Berlepsch: Schweizer Revolution, 1799, 95).
Beide Autorinnen charakterisieren Rousseau unter dem Aspekt der
Tugend. Für beide ist damit sein Wirken am zutreffendsten ausgedrückt.
La Roche ergänzt an anderer Stelle zudem, daß Rousseau ein Verteidiger
der Moral gegen den verderbenden Atheismus sei, wie sie 1798 im Blick
auf die Folgen der Französischen Revolution schrieb. Entgegen anderer
Interpretationen, die ihm gerade Ungläubigkeit und Unmoral vorwarfen,
hält La Roche daran fest, ihn als gläubigen und moralisch guten
23
Menschen zu sehen. Als solcher hat er ihre vollkommene Unterstützung,
in dieser Rezeption nimmt sie ihn uneingeschränkt positiv wahr.
Die gleiche Blickrichtung legt Elise von der Recke an. Sie spricht von
den "Göttergestalten der Tugend", die Rousseau die Begeisterung
einflößten, mit welcher er die "stille innre Seligkeit des höheren
Menschen schilderte" (von der Recke: Tagebuch, 1817, 324).
Kultivierung, innere Gelassenheit und Harmonie, sind Haltungen, die die
Tugend bewirke und die als Kategorien aufklärerischer Wertediskussion
unbestritten sind. Auch von der Recke rezipiert Rousseau als Förderer der
Tugend, die gleichzeitig Kultivierung und innere Stabilität zu geben
vermöge. Auch sie kann unter diesem Blickwinkel Rousseau ganz
zustimmen und ihm dankbar sein.
Die Rezipientinnen sehen in der Tugend einen Werte- und Verhaltens-
kodex, dem sie uneingeschränkt zustimmen und den sie als Garanten für
die Verbesserung der Gesellschaft verstehen. Sie möchten mitwirken an
der Verbreitung aufklärerischer Ideen und sind von der Wirksamkeit ihrer
Gedanken überzeugt. Rousseau wird als Gedankengeber und Weggefährte
positiv aufgenommen und für ihre Absicht, durch Verbreitung der
Tugend-Idee die Menschen und die Verhältnisse der Utopie der
Glückseligkeit anzunähern, eingenommen.
Die Euphorie aufklärerischer Überzeugung vertritt Caroline Schlegel-
Schelling nicht. Sie hat als Frühromantikerin eine andere Position. Wenn
sie 1797 die Liebe zwischen Julie und St. Preux in der "Nouvelle
Héloïse" als moralische Leidenschaft bezeichnet und befindet, sie liebten
sich "ein wenig nach Grundsäzen" (Schmidt, 1913, Bd.1, 428), so
bekommt der Begriff "moralisch" eine andere Deutung als bei den vorher
genannten Rezipientinnen. Schlegel-Schelling verfällt dem Mythos von
der verändernden Kraft der Moral nicht mehr, sondern fordert die
romantischen Leidenschaft, die auch spontane Lebendigkeit beinhalte.
Doch unter den Rousseau-Rezipientinnen des ausgehenden 18.
Jahrhunderts ist Schlegel-Schelling eine Ausnahme. Solange die Euphorie
der Aufklärung wirkte, sahen die meisten darin eine konkrete Utopie, das
ersehnte Glück in Form von Glückseligkeit erreichen zu können.
24
Gefühl und Empfindsamkeit als Begriffe der Aufklärung
Wird Tugend als Gebot "richtiger", vernünftiger Einstellung aufgefaßt, so
verbinden die Rezipientinnen auch mit dem Gefühl bestimmte Implikatio-
nen. Diese darzustellen, macht erst deutlich, welche Absichten damit ver-
bunden waren, Gefühle zu kultivieren.
Ab der Jahrhundertmitte beschäftigte sich die deutsche Aufklärung
zunehmend mit Gefühlen und Empfindungen. Moralisches Handeln, so
war deutlich geworden, hängt von einem Willen ab, der weit weniger
vom Verstand als vom Affekt bestimmt wird. Empfindungen und Affekte
zu haben, galt nicht mehr als Störung, sondern als unentbehrlicher
Bestandteil jeder Vernunft (vgl. Grimminger, 1984, 53).
Wie in der zeitgenössischen Debatte die Thematik des Empfindens und
des "Herzens" in der Theorie bestimmt wird, hat Gerhard Sauder in seiner
Schrift "Empfindsamkeit" dargestellt (Sauder, 1974). Er versteht
Empfindsamkeit als grundlegenden Begriff der deutschen Aufklärung.
Ich möchte die Implikationen, die der Begriff in der zeitgenössischen
Theorie nach Sauder enthält, wiedergeben, um die Rezeptionen der
Frauen unter diesen Aspekten zu beurteilen. Erst dann wird deutlicher,
welche Bedeutung eine gefühlvolle Rezeption oder die Thematisierung
von Gefühlen in den Schriften von Frauen hatte.
Im deutschen Sprachraum war man auf den französischen "Sensualismus"
und die englische "moral-sense"-Theorie aufmerksam geworden. Beide
galten als Voraussetzungen der Empfindsamkeit.
Der Sensualismus verstand unter "Empfindung" die "sinnlich-intuitive
Wahrnehmung der äußeren Wirklichkeit ('sensation')" (Grimminger,
1984, 52) als Grundlage für jede vernünftige Erkenntnis aus der
Erfahrung. Die äußere Sinneswahrnehmung wird als Ursprung der
Erkenntnis jedes Menschen angesehen. Die "moral sense"-Theorie
behauptet,
"[...] daß die altruistischen Neigungen des Menschen, die das
Wohl der Gesellschaft befördern, so fundamental seien wie die
egoistischen; daß die höchste Belohnung für die Übung von
'benevolence' in der dabei zu empfindenden Freude liege und daß
es keinen Konflikt zwischen individueller und gesellschaftlicher
Wohlfahrt gebe." (Sauder, 1974, 73)
25
Im "Herzen" der Menschen sei das "natürliche Gesetz" eingeschrieben,
der Mensch müsse nur darauf achten, um richtig handeln zu können, so
die Idee.
Diese Ideen vertrat auch Rousseau und wirkte damit ebenfalls auf die
deutsche Empfindsamkeit. Rousseau schrieb vom "sentiment de
l'existence" (Gefühl zu existieren oder Lebensgefühl) und von der
"sensibilité" (Empfindungsfähigkeit) als Mitteln, das eigene Dasein
spüren und erkennen zu können (vgl. Sauder, 1974, 213 und 90ff).
Sauder faßt Rousseaus Gefühlstheorie, die Ernst Cassirer in ihrer Kom-
plexität entfaltet hat (Cassirer, 1932) kurz zusammen:
"Im eigenen 'Herzen' sollen die gesellschaftlichen Tugenden
wiedergefunden werden. Wer seine 'passions' [Leidenschaften]
mäßigt, auf die innere Stimme der Natur, die 'conscience' [das
Gewissen] hört, erreicht durch die Verbindung von 'sensibilité
active et morale' [Empfindungsfähigkeit als aktive und moralische
Entscheidung] jene 'vertu' [Tugend], die menschliche
Vollkommenheit bedeutet." (Sauder, 1974, 92)
Ausgehend von diesen Gedanken verstand man in Deutschland um die
Jahrhundertmitte die sinnliche "Empfindung" der äußeren Wirklichkeit
und das innere Gefühl des Menschen als intuitive Voraussetzungen für
neue Erkenntnis und bessere Moral.
Als Grundprinzipien der Empfindsamkeit nennt Sauder:
1. Das Gleichgewicht von "Kopf" und "Herz" oder Verstand und Gefühl.
Das Gleichgewicht aller Kräfte im Mittelmaß, das zur "Zufriedenheit"
führe, sei zentrales Prinzip bürgerlicher Ethik und habe im Denken der
Philanthropen, die in den 70er bis 90er Jahren des 18. Jahrhunderts die
Diskussion bestimmen, einen vorrangigen Platz. Gefühl werde nur im
richtigen Maß mit dem Verstand positiv gewertet, jede Einseitigkeit
gelte als Gefahr.
2. Das Selbstgefühl als Ausdruck der Vollkommenheit. Vollkommenheit
werde als Empfindung in das Innere des Menschen gelegt, der im
Selbstgefühl, dem "innersten Gefühl dessen, was wir sind und was wir
vermögen" (Irwing, 1779, zit. nach Sauder, 1974, 212) die innere
Kraft und den Beweggrund seines Handelns sieht. Die Intention der
Empfindsamen, durch Intensivierung der Empfindungen den Horizont
26
der Lebensrealität zu erweitern, bekomme in diesen Gedanken die
theoretische Fundierung. Die Vermehrung und Erweiterung der
Gefühle werde als "Steigerung des Selbstgefühls" und als
"Intensivierung der Realität des Ichs" (Sauder, 1974, 212) gedeutet.
Über die Gefühle, die der einzelne Mensch wahrnehme, entwickele er
seine Individuierung. Über das Selbstgefühl könne der empfindsame
Mensch sich seiner Existenz versichern. Vollkommenheit werde mit
angenehmen Empfindungen korreliert, die ihrerseits mit guten oder
tugendhaften Empfindungen ineins gesetzt würden.
Glückseligkeit zu erstreben und zu erleben werde als eine Empfindung
positiven Gefühls gedeutet. Damit bekomme auch tugendhaftes
Verhalten, zu dem - wie oben ausgeführt - Pflichtbewußtsein,
Leidenschaftslosigkeit und Nützlichkeit gehören, die Charakteristik
eines Vergnügens.
3. Mitgefühl als Ausdruck der Gesellschaftsorientierung. Sauder führt
aus, es sei für die aufgeklärte Empfindsamkeit konstitutiv, daß sie
"alle ihre Elemente nicht so sehr auf das Subjekt hin auslegt, sondern
immer und mit größerer Intensität nach ihrer Funktion in der
Gesellschaft und für deren Wohlfahrt fragt. Zärtlichkeit, Wohlwollen,
Sympathie oder Mitgefühl ermöglichen die Vollkommenheit des
Empfindsamen nur in gesellschaftlicher Interaktion." (Sauder, 1974,
197)
Als Rezeption der englischen "moral-sense"-Theorie würden in Deutsch-
land Wohlwollen und Sympathie als Haltungen des gesellschafts-
orientierten Menschen abgeleitet. Mitleid gelte als Tugend in Bezug zum
anderen Menschen.
Sauder spricht im Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Funktion der
Empfindsamkeit von einem Versuch, mit Hilfe moralischer Empfindung
eine neue Kommunikationsgemeinschaft zu begründen, worin er egalitäre
und "insgeheim auch revolutionäre" (Sauder, 1974, 198) Implikationen
der Empfindsamkeit sieht.
"Die mit der Tugend identifizierte Empfindsamkeit erhält
Proportionen und Würde einer sozialen Institution. Den
Zeitgenossen erscheint sie als Summe gesellschaftlicher Tugenden,
so daß es unmöglich wurde, Mitglied einer Gruppe oder eines
geselligen Zirkels zu sein und nicht wenigstens Spuren von
Empfindsamkeit vorzuweisen." (Sauder, 1974, 206)
27
Die Empfindsamen hatten die Hoffnung, "zumindest im Bürgertum
sympathetische Solidarität zu verbreiten." (ebd.). Doch Sauder bemerkt
auch kritisch an, daß in der deutschen Literatur der Empfindsamkeit
"kaum Vorarbeit dafür geleistet wurde, wie die Losungen 'Tugend' und
'Empfindsamkeit' hätten praktisch werden können." (ebd., 207)
Gefühl in der Rousseau-Rezeption zeitgenössischer Frauen
Wenn ich im folgenden den Versuch unternehme, die zeitgenössischen
Implikationen des Denkens über Gefühle mit den Rezeptionen der Frauen
in Verbindung zu bringen, so gehe ich nicht davon aus, daß die Frauen
die Werke der zeitgenössischen Theoretiker unbedingt gelesen haben.
Sauders Bearbeitung der theoretischen Schriften dient mir vielmehr dazu,
die Bedeutungen, die die Rezipientinnen mitgemeint haben können, zu
benennen, um mich im Rahmen ihres Denkens zu bewegen.
Fast alle der in die Untersuchung aufgenommenen Rezipientinnen
thematisieren "Gefühl", "Empfindung", "Seele" und "Herz". Einige
rezipieren Rousseaus Werke, indem sie ihre Gefühle, die sie dabei
empfanden, beschreiben, andere reflektieren über Gefühle und die
Bedeutung, die sie ihnen beimessen.
Gefühle zu kultivieren, um die Wahrnehmungsfähigkeiten der Menschen
zu erweitern oder um sie gesellschaftsfähig im Sinne einer aufgeklärten
Gesellschaft zu machen, vermute ich als Motivationen der
Rezipientinnen, Rousseaus Angebote der Gefühlsintensität aufzunehmen.
Schilderung eigener Gefühle
Jenny von Voigts, Agnes von Stolberg, Friederike Brun, Elise von der
Recke und Caroline Flachsland bieten Rezeptionen Rousseaus, die durch
die Schilderung der eigenen Gefühle gekennzeichnet sind.
Agnes von Stolberg beispielsweise ist begeistert von der "Nouvelle
Héloïse" und schreibt:
Ach Rousseau hat mein ganzes Herz dahin, ich lese seine Heloise.
Mein Gott, wie schön, wie natürlich; so bin ich noch keinem Buch
in der Art gefolgt, er läßt auch nichts von meinem Herzen übrig,
kein Fäserchen läßt er unerfüllt; es ergreift mich oft so, daß ich
28
weine und das Buch weglegen muß, um mich zu fassen." (Hennes,
1870, 276)
Rousseau ergreift und füllt das Herz. Agnes von Stolberg findet in der
"Nouvelle Héloïse" Angebote, um in Gefühlen zu leben und sich
emotional selbst zu vergewissern. Sie empfindet Intensität und Erfüllung,
indem sie sich ihren Gefühlen hingibt (vgl. von Felden, 1995, 196). Die
zeitgenössische Aufwertung des Gefühls führt zu Rezeptionen, deren
Gefühlsintensität fassungslos machten kann.
Auch wenn die Theoretiker der Empfindsamkeit das nicht von der
Vernunft gesteuerte Gefühl als Empfindelei ablehnten, so spiegelt die
Intensität eines Gefühlsausdrucks auch die Sehnsucht wider, sich selbst
spüren und als Individuum erfassen zu wollen. Gefühlen breiten Raum zu
geben und damit das "Selbstgefühl" aufzuwerten, bedeutet eine
Weiterentwicklung der Individuierung.
Auch Friederike Brun beschwört bei ihrer Reise an den Genfer See zu den
Schauplätzen der "Nouvelle Héloïse" die Jugendfreundschaft zu ihrer
Freundin Charlotte Gräfin von Dernath herauf, an die sie ihre Reisebe-
schreibungen richtet. Im Nachvollzug der gefühlvollsten Szenen der
"Nouvelle Héloïse" an den Originalschauplätzen der Schweiz erlebt sie
die intensiven Freundschaftsgefühle und das gemeinsame Schwärmen mit
ihrer Freundin nach. Sie kann in der "sanften Träumerei" im Andenken an
sie "in der Heloise lebend" (Brun: Prosaische Schriften, 1799, 307) die
Reise genießen. Sie möchte "wenig reden, aber desto mehr empfinden"
(ebd., 202) und so steht alles "lebendig und herzbewegend" (ebd., 310)
vor ihr. Rousseau habe gelehrt, "wie Freundinnen lieben könnten" und
einen "Tempel der Natur und Freundschaft" (Brun: Episoden, 1806, 325)
aus den Schauplätzen der "Nouvelle Héloïse" geschaffen.
Für Brun war der Felsen von Meillerie eine "Phantasie-Heimath", von
dem ihr - dem "schwärmerisch entzückte[n] Friedchen" (ebd., 265) - der
Abschied schwer fiel. Friederike Brun verbindet das Genießen positiver
Gefühle der Freundschaft und Liebe mit moralischer Besserung und der
"Läuterung[] der verhüllten Psyche" (ebd., 248), zu denen die "Nouvelle
Héloïse" animiere.
Diese Gefühle empfinden zu können und es als Vergnügen zu spüren,
verbessere die Menschen, läutere ihre "verhüllte Psyche" und zeige damit,
daß das Eintreten für Liebe, Tugend und Freundschaft die besseren
29
Menschen schaffe. Tugend wird nicht nur gedacht, sondern empfunden
und damit zum Erlebnis. Rousseau macht dieses intensive Erlebnis
möglich und wird damit zum "Heiligen" und anzubetenden "Propheten",
wie Caroline Flachsland schreibt. Auch sie betont, daß das "gute Herz",
das er überall zeige, sie für ihn "außerordentlich eingenommen" habe.
Gefühle zu haben und zu zeigen, bedeutet, teilzuhaben an der
Verbesserung der Gesellschaft, die aus vernünftigen, tugendhaften und
positiv empfindenden Menschen bestehen würde.
Mitleid zum anderen Menschen und Identifikation mit seiner Person
gelten als Tugenden des gesellschaftsorientierten Menschen, der damit
seine menschliche Fähigkeit zur aufgeklärten Gesellschaft unter Beweis
stellt.
Friederike Brun zeigt sich in dieser Rousseau-Rezeption als zu mit-
menschlicher Empfindung fähig und sieht es als ihr Anliegen an, sympa-
thetische Neigungen für einen Menschen, der Empfindungsfähigkeit und
Tugend unterstützt, auszudrücken. Sie rezipiert Rousseau als Wegge-
fährten auf dem Weg zur besseren, weil menschlicheren Gesellschaft.
Mit der Aufwertung des Gefühls bekommen diese Sehnsüchte breiten
Raum. Doch die zeitgenössische Diskussion über "Empfindelei" zeigt
auch gleichzeitig die Grenzen. Ein zu starkes, gefühlvolles Hingeben und
Verlieren in den Gefühlen wird, weil nicht vom Verstand beherrscht,
allenthalben kritisiert. Agnes von Stolberg, Jenny von Voigts, Friederike
Brun und Caroline Flachsland zeigen eine Rezeption, in der sie Rousseau
gefühlvoll, schwärmerisch oder sympathetisch aufnehmen. Sie stellen ihre
Gefühle direkt dar und zeigen in ihrer Darstellung keine Distanz.
Vor dem Anspruch der zeitgenössischen Theorie des vernunftgeleiteten
Gefühls verfallen diese Rezeptionen am ehesten dem Verdikt der "Emp-
findelei". Mein Anliegen ist es jedoch nicht, die genannten Rezeptionen
unter diesem Aspekt zu sehen, sondern sie in ihrer Einbettung in die
allgemeine Aufwertung des Gefühls zu betrachten.
Die bisherige Forschung über die zeitgenössische Rousseau-Rezeption in
Deutschland sieht in der schwärmerischen Begeisterung von Frauen
Rousseau gegenüber die am meisten mit Frauen in Zusammenhang ge-
30
brachte Rousseau-Rezeption und bewertet sie überwiegend als unkritische
Begeisterung. 6
Nach meiner Untersuchung aber ist diese Aussage nicht aufrecht zu erhal-
ten. Die schwärmerische Begeisterung trifft nur für einen Teil der Frauen
zu und ist darüberhinaus nicht als oberflächliche, apologetische Haltung
anzusehen, sondern im Rahmen der zeitgenössischen Gefühls-Diskussion
zu bewerten. Ein anderer Teil der Rezipientinnen rezipiert nicht
gefühlvoll-schwärmerisch, sondern konstatiert Emotionalität und
reflektiert über sie.
Reflexion über Gefühle
Einige Rezipientinnen - es sind Emilie von Berlepsch, Caroline
Flachsland, Sophie Helmine Wahl, Luise Mejer und Dorothea Veit-
Schlegel - thematisieren Gefühle, beschreiben aber nicht in erster Linie
ihre eigenen Gefühle, sondern reflektieren über sie. Ihr Schreibstil ist
distanzierter.
Darüber hinaus bewertet eine Gruppe von Rezipientinnen das Verlieren in
Gefühlen mit dem Stichwort "Leidenschaft" bei Rousseau negativ und
gibt insofern dem zeitgenössischen Theorieanspruch der
vernunftgeleiteten Emotion statt. Ich beurteile eine schwärmerische
Rousseau-Rezeption im Rahmen eines Romans, der diese schwärmerische
Haltung usurpiert, als distanzierte Darstellung von Gefühlen und
behandele sie im Kapitel "Leidenschaft". Im Folgenden stelle ich die
Reflexionen über Gefühle dar und komme dann zum Stichwort
"Leidenschaft".
Emilie von Berlepsch zum Beispiel nennt Rousseau einen "großen
Kenner menschlicher Empfindungen" und entnimmt ihm den Gedanken,
daß es "keine wahre Liebe ohne Enthusiasmus" (von Berlepsch: Ehe,
1791, 85) gäbe. Sie hebt auf das "Bild der Vollkommenheit" ab, welches
"der Einbildungskraft eingeprägt sei" (ebd.) und eine wichtige
Voraussetzung für eine Partnerbeziehung der gegenseitigen Achtung und
6 Vgl. beispielsweise Mournier, der die gefühlvolle Rezeption Rousseaus durch Sophie von
La Roche und Caroline Flachsland als oberflächliche, zu intensiver Auseinandersetzung
nicht fähige, unkritische Übernahme allgemeiner Begeisterung wertet. Vgl. Mournier 1985,
173
 
31
Liebe, der Beziehung, die dem gesitteten Leben ihrer Zeit angemessen
sei.
Es komme darauf an, Empfindungen zu haben, ohne empfindlich zu sein.
Und so sieht von Berlepsch in dem Begriff der "Sanftmut" die "Fertigkeit,
sein Gefühl, so warm und lebhaft es seyn möge [...] unabhängig zu
machen, daß es nicht leicht gereizt und aufgebracht werden könne" (ebd.,
70). Sie versteht Sanftmut in dieser Definition als Möglichkeit für Frauen,
nicht in übergroßes Leiden zu verfallen, nicht vorschnell gekränkt,
sondern unabhägig und souverän zu sein.
Emilie von Berlepsch setzt die zeitgenössischen theoretischen
Bestimmungen über Gefühle in ihrer Schrift für Frauen um.
"Enthusiasmus" definiert Wieland im "Teutschen Merkur" 1775 als das
"wahre Leben" im Gegensatz zur Schwärmerei, die er "Krankheit der
Seele" nennt. 7 In diesem Wortgebrauch benutzt von Berlepsch den
Begriff "Enthusiasmus" als Liebesfähigkeit, die zur gesitteten
aufgeklärten Gesellschaft dazugehöre und rezipiert Rousseau in diesem
Sinne. Rousseau gilt ihr als Vorkämpfer für Gefühle, die im richtigen
Maß die Menschen verbessern.
Eine andere Reflexion über Gefühle ist bei Caroline Flachsland nachzule-
sen. Ihre Aussage zum Thema Tugend, gute Menschen zu bilden,
beinhaltet auch ihre Auffassung vom Gefühl. Ihr Ziel ist es, Menschen zu
bilden, die "ihrem ersten Gefühl und der Natur getreu sind und nicht
durch die Last der Vorurtheile und die Farbe der Welt, die ich so sehr
haße, sich von sich selbst so weit entfernen." (Schauer, Bd.1, 316/317)
Flachsland rezipiert Rousseau in seinem Gedanken, dem eigenen Gefühl
treu zu sein und nach der Natur zu leben. Im eigenen Gefühl könne der
Mensch sich selber wiederfinden und die Vorurteile, die eine schlechte
gesellschaftliche Entwicklung hervorgebracht habe, überwinden. Sich auf
eigene Gefühle zu besinnen, bedeute also, das eigene Fremdsein aufheben
zu können. Flachsland rezipiert Rousseau in einer seiner zentralen
Bestimmungen, der Überwindung von Entfremdung. Gefühle seien
Mittel, durch die die Menschen ihrem eigenen Gewissen näherkämen und
sich menschlicher machen könnten.
7 Wieland, Christoph Martin: "Zusatz des Herausgebers" zu "Auszüge aus einer Vorlesung
über die Schwärmerey". In: Der Teutsche Merkur IV.St/1775,S.152f. Zit. nach Sauder,
S.138
 
32
Auch Sophie Helmine Wahl verarbeitet in ihrem Roman "Adolphine"
eine Rousseau-Rezeption, die Entfremdung anspricht. Sie läßt ihre
Hauptfigur Adolphine über Zeit reflektieren und sich dabei an Rousseau
erinnern:
"Und ich erinnere mich Rousseau's, wie er in seinem Emil sagt:
[...] Sey stets wirklich da, wo du bist, und lebe jeden Augenblick
deines Lebens.' Wie wahr spricht der Herzenskündiger Rousseau!"
(Wahl: Adolphine, 1794, 90)
Wahl denkt die Überwindung von Entfremdung in Zusammenhang mit
Gefühlen, wenn sie vom Herzenskündiger Rousseau spricht. Im Herzen
der Menschen sei das das wirkliche, lebendige Gefühl zu finden. Doch
die Menschen ihrer Zeit lebten nicht mehr ihren Gefühlen und ihrem
eigentlichen Menschsein gemäß, sondern seien mit dem
Auseinanderfallen von "Kopf und Herz" konfrontiert.
Leidenschaft und der Verlust des Maßes
Rousseau wird nicht nur als Gedankengeber der Tugend und als Vorbild
für tugendhafte Gefühle rezipiert, sondern auch als Verführer zur
Schwärmerei oder zur Leidenschaft.
Grimminger nannte als psychologische Dialektik der Aufklärung die
Abgrenzung von Vernunft und widerständiger Natur. Mit dieser Abgren-
zung ist der Kampf der Moral gegen die "Leidenschaften" und die "thieri-
schen Triebe" gemeint, wodurch sie sich gerade in einen endlosen Kampf
mit ihr verwickele, so Grimminger (Grimminger, 1984, 23).
Das zeitgenössische Bewußtsein geht davon aus, daß die vernünftige Pla-
nung und Haltung notwendig auf die Unterdrückung oder mindestens
Domestizierung der menschlichen Triebnatur angewiesen war und vertrat
mit dem Begriff der Tugend ein Verhaltensrepertoire, das sich streng von
"Leidenschaften" und "Lastern" abgrenzte.
Das Gefühl müsse immer von der Vernunft geleitet werden, anderenfalls
würde der Leidenschaft zu viel Raum gegeben, so der zeitgenössische
Konsens. Leidenschaft wurde als Neigung verstanden, die durch die
Vernunft schwer oder gar nicht zu bezähmen sei (Sauder, 1974, 135) und
galt somit als Gefahr par excellence.
33
Um diese Leidenschaften auszuschalten, ging es darum, sich auch
"gefühlsmäßig" vernünftig zu verhalten. Bei den Philanthropen gehörte
die Beherrschung der Leidenschaften und die Erziehung zur wahren
Empfindsamkeit gleichzeitig zu den Grundpfeilern ihrer Erziehung (ebd.,
131/132).
Leidenschaft, Schwärmerei, Langeweile - vor allem als Kritik am Müßig-
gang des Adels - und Empfindungslosigkeit entsprachen nicht der Auffas-
sung vom Maß und galten als Störung des Gleichgewichts. In dem
Begriff der "Empfindelei", der als Kritik falscher Empfindsamkeit Ende
der 70er Jahre auftrat, wurde vor allem die Unaufrichtigkeit der Haltung
kritisiert. In Ablehnung höfischer, erkünstelter Formen wurde Wert auf
"natürliche", echte, wahre Empfindsamkeit gelegt.
"Campe hat sich in seinen pädagogischen Schriften mit aller
Schärfe gegen die 'übertünchte', auf Täuschung angelegte
Lebensart 'in der sogenannten gesitteten Welt' gewandt. Sie
'erstickt das Gefühl für das, was natürlich gut und schön ist, und
flößt dagegen Geschmack am Erkünstelten, Gesuchten,
Unnatürlichen und Uebertriebenen ein". 8
Die Empfindsamkeit verstand den Kampf der Vernunft gegen die Trieb-
natur als Kampf der guten gegen die schlechten Empfindungen. Insofern
wurde Empfindsamkeit immer mit moralisch guten Haltungen verknüpft,
wogegen die Leidenschaften als verderbt und maßlos galten.
Ernst Cassirer hatte den Gedanken, Rousseaus Schreiben als Schreiben
der Bewegung, der Dynamik, dem Folgen eines Impulses zu
kennzeichnen, mit dem er das vernunft- und sicherheitsorientierte Denken
des 18. Jahrhunderts konfrontierte.
"Rousseau ist der erste Denker, der diese Sicherheit nicht nur in
Frage stellt, sondern der sie in ihren Grundfesten erschüttert. [...]
er stellt der wesentlich statischen Denkweise des Jahrhunderts
seine eigene ganz persönliche Dynamik des Gedankens und seine
Dynamik des Gefühls und der Leidenschaft gegenüber." (Cassirer,
1932, 8)
8 Sauder, S.157. Er bezieht sich auf Campe: Von der nöthigen Sorge für die Erhaltung des
Gleichgewichts [...]. In: Allgemeine Revision des gesammten Schul- und Erziehungswesens
von einer Gesellschaft praktischer Erzieher. II. Theil, Hamburg, 1785, 385
 
34
Waren Rezipientinnen in Deutschland dem Gefühl Rousseaus noch zu-
stimmend gefolgt, so sind viele beim Thema Leidenschaften so sehr den
Implikationen der deutschen Aufklärung verbunden, daß sie an dieser
Stelle Rousseau klar entgegentreten.
Abwehr von Leidenschaft in der Rousseau-Rezeption zeitgenössischer
Frauen
In den Romanen Sophie von La Roches, Friederike Helene Ungers, Elise
Bürgers, Susanne von Bandemers und Helmine Wahls wird Rousseau auf
einer bestimmten Bedeutungsebene der Romane als Verführer zur Leiden-
schaft oder zur Schwärmerei rezipiert. Elisabeth Eleonore Bernhardi argu-
mentiert zudem in ihrer Abhandlung in derselben Richtung. Wie
verbreitet die Abwehr gegen Rousseau als Verführer zur Leidenschaft
war, zeigen eine Reihe von Romanautorinnen, die diese Rezeption in
ihren Romanen verarbeiten.
Am Roman "Julchen Grünthal" (1798) von Friederike Helene Unger läßt
sich dieses Muster ablesen. Julchen, die in ihrem Elternhaus eine sehr
tugendhafte und ländlich-eingezogene Erziehung bekam und seit ihrem
Aufenthalt im Berliner Pensionat langsam neue Maßstäbe der aristokra-
tischen, leichtlebigen Lebensweise annimmt, bekommt die "Nouvelle
Héloïse" durch ihre Erzieherin in die Hand und erglüht förmlich bei der
Lektüre. Ungers Gestaltung der Verführung Julchens zeigt zwei Perspek-
tiven gleichzeitig. Zum einen die Empörung des Vaters Grünthal über den
moralischen Fall, Julchens Maßlosigkeit und fehlenden Anstand, zum
anderen die Reaktion Julchens, die orgastische Liebesgefühle und "leichte
süße Liebesträume" erlebt.
In Ungers Roman wird Rousseau explizit nur in Zusammenhang mit dem
Berliner Pensionat, das von einer gelehrten Französin betrieben wird,
erwähnt, und zwar in der Perspektive des Vaters Grünthal, der sowohl
gegen die französische Lebensart als auch gegen gelehrte Frauen eine
Abscheu hat. Unger gestaltet diese Bedeutungsebene ihres Romans, in der
Rousseau durch seine "Nouvelle Héloïse" Julchens naives Herz vollends
verwirrt, während sie gleichzeitig Julchens Reaktion auf die Verführung
ausführlich ihrem Roman einschreibt und damit quasi rechtfertigt.
Die "Nouvelle Héloïse" als "Teufelswerk", das junge Mädchen verführe
und sie zur Leidenschaft bringe, ist als Aussage auch in Elise Bürgers
35
Erzählung "Irrgaenge des weiblichen Herzens" (Bürger, 1799) zu finden.
Elise Bürger beschreibt die verbotene Liebe zwischen dem 15jährigen
jungen Mädchen Dirza und seinem Onkel, einem Mönch. Der Onkel las
Dirza Romanstellen u.a. aus Rousseaus Roman vor, "die die lebhafte
Einbildungskraft glühend machte". Rousseaus "Nouvelle Héloïse" kommt
entscheidende Bedeutung für die Verführung des Mädchens Dirza durch
den Mönch zu.
Die Autorinnen verarbeiten eine Rezeptionsebene in ihren Romanen, die
Rousseau Verführung und Maßlosigkeit vorwirft. Wo er das Maß
vernünftigen Gefühls überschreitet, gilt er als Gefahr, und einige
Rezipientinnen wenden sich von ihm ab.
Die "Nouvelle Héloïse" steht im Zentrum der Rezeptionen. Sie bietet
durch ihre Zweiteilung verschiedene Lesarten an, einerseits den Bezug
auf die leidenschaftliche Liebe zwischen Julie und St.Preux, andererseits
den auf die tugendhafte Ehe zwischen Julie und Wolmar. Allerdings
besteht durchaus keine Einhelligkeit unter den Rezipientinnen, daß der
erste Teil zur Leidenschaft verführe und der zweite Teil die Tugend
fördere, da eine Reihe von Rezipientinnen auch für die Liebe zwischen
Julie und St.Preux Begeisterung empfanden.
Auch unter den Rousseau-Rezipientinnen gab es die, die strikt - analog
zur Gefühlstheorie - das Maß einhalten, und andere, die sich gern
Gefühlen hingeben wollten. Es zeigt die Erziehungsabsicht, die latent im
moralischen Diskurs der Aufklärung mitschwang, daß immer wieder auf
den "richtigen Weg" hingewiesen werden mußte.
Erziehung als Begriff der Aufklärung
Neben den Begriffen Tugend, Gefühl und Abwehr von Leidenschaft hatte
der Begriff Erziehung in der Rezeption zeitgenössischer Frauen eine
wichtige Bedeutung. Frauen setzten sich mit Erziehung im allgemeinen
auseinander, mit der Erziehung der Frauen und äußerten sich dabei zu
dem von ihnen bevorzugten Frauenbild.
Sophie von La Roche formuliert 1793 den epochemachenden Einfluß
Rousseauschen Wirkens:
"Was für eine allgemeine Aenderung in so vielen Ländern brachte
J.J. Rousseau in den Ideen über die Erziehung der Kinder hervor!
36
[...] was könnten solche Schriftsteller bei Minister, Räthen und
Beamten wirken, welche mit Leitung großer erwachsener
Menschenkinder beschäftigt sind." (La Roche: 3. Schweizerreise,
1793, 73)
Sophie von La Roche weist der Erziehung - wenn sie die richtigen Mittel
anwendet - fundamentale Möglichkeiten zur Verbesserung der Menschen
und der staatlichen und gesellschaftlichen Organisation zu. Sie zeigt in
dieser Passage die Überzeugung der Aufklärung, mithilfe der Erziehung
Veränderungen auf allen gewünschten Gebieten vornehmen zu können.
Rudolf Vierhaus kennzeichnet diese Haltung als typisch für die deutsche
Aufklärung:
"Es ist charakteristisch für die deutsche Aufklärung, daß sie alle
ihre Erwartungen auf Veränderung und Verbesserung auf die
Ausbildung eines mündigen politischen Bewußtseins durch
Publizität und Erziehung, also auf einen langfristigen Lernprozeß
setzte, von dem auch die Regierenden ergriffen werden müßten."
(Vierhaus, 1982, 32)
Mithilfe der Erziehung können Menschen verbessert, Regierende
überzeugt und Gesellschaft und Staat in vernünftige Formen gebracht
werden. Vor allem der Erziehung von Kindern und Jugendlichen als den
Trägern der neuen Gesellschaft wurde Bedeutung eingeräumt. Die
Philanthropen nahmen sich ihrer in besonderer Weise an:
"Das Selbst-Sein, der Selbst-Wert des Kindes und Jugendlichen
wurde propagiert, um den geschichtlichen Gang der Vernunft in
der Gattungsgeschichte der Menschheit als Prozeß des bewußt zu
gestaltenden Generationswechsels festzumachen; Geschichte sollte
Fortschritt bedeuten. Der Glaube an die Perfektibilität des
Menschen als Subjekt und als soziales Wesen hält den
Reflexionsprozeß aufklärerischer Pädagogik in Gang [...].
Hieraus erklärt sich das moralisierende und politische Pathos
etwa der Philanthropen in Deutschland, ihre Auffassung des 18.
Jahrhunderts als eines pädagogischen. Dem Glauben an die
Perfektibilität als der Machbarkeit des Menschen, der fast
beliebigen Gestaltbarkeit seines Denkens, Fühlens und Wollens,
entspricht die herrschende sensualistische Anthropologie " .
(Herrmann 1982, 181)
37
Erziehung wird als Instrument der Machbarkeit betrachtet und läßt das
Interesse an Erziehungsschriften in der Folge von Rousseaus "Emile"
ständig wachsen.
Rousseau hatte das Kind in den Mittelpunkt gerückt. Es in seinem Selbst-
sein ernstzunehmen und sein Werden erzieherisch planvoll zu begleiten,
wird als Aufgabe von gesellschaftlichem Rang bewertet. Einige der
Frauen rezipieren Rousseau in diesem Sinn als Erzieher.
Erziehung in der Rousseau-Rezeption zeitgenössischer Frauen
Amalia Holst zum Beispiel setzt sich in ihrer Schrift "Bemerkungen über
die Fehler unserer modernen Erziehung" (1791) ausführlich mit
Rousseaus Intentionen auseinander. Sie beteiligt sich als praktische
Erzieherin, die in Erziehungsinstituten Erfahrungen gesammelt hat, an der
öffentlichen Debatte und argumentiert als Anhängerin Rousseaus mit
seinen Maßstäben.
Die Jugend ernst zu nehmen, sie vom "pedantischen Zwange" zu befreien
und den Erziehungsprozeß nach dem "Gang der Natur" zu gestalten,
findet ihre volle Zustimmung. Die Anleitung zum eigenen Denken und
freien Handeln erscheint ihr das wichtigste Ziel der Erziehung. Dabei
vertritt sie ebenso wie Rousseau, daß es vor allem darum gehe, die
"angebohrne[] Güte der Menschennatur" (Holst: Bemerkungen, 29) zur
Entfaltung zu bringen.
Die Hinwendung zum Kind, das Menschenbild des grundsätzlich guten
Menschen, die natürliche Erziehung, die den Erziehungsprozeß auf die
Kräfte des Kindes abstimmt - all diese Neuerungen nimmt Amalia Holst
zustimmend auf und rezipiert Rousseau sehr wohlwollend. Sie kritisiert
zwar auch Übertreibungen, die zu "zügelloser Freiheit" und "unbescheide-
ner Selbstgenügsamkeit" (ebd., 18) der Jugend führten, doch sieht sie
Rousseau als Wegbereiter der Neuerungen einige Irrtümer nach, die sie
seinen Nachfolgern, vor allem den Philanthropen, vorwirft.
Der Erziehung kommt in der Aufklärungsbewegung die entscheidende
Bedeutung zu, die Menschen zu "guten" und "vernünftigen" Menschen zu
machen. Die bürgerliche Aufklärung wählt für diese Aufgabe die Mütter
als Adressatinnen, die in diesem Rahmen damit eine Aufwertung
erfahren.
38
Erziehung der Frauen
In welcher Weise findet Rousseau nun Eingang in die Gedanken der Rezi-
pientinnen zur Erziehung der Frauen? Ich benutze bewußt den Begriff
"Erziehung" der Frauen, da es den meisten Autorinnen um Charakterbil-
dung geht.
Bemerkenswert ist, daß sich die Rezipientinnen überwiegend nicht an die
Sinnstellen hielten, die Rousseau den Themen Erziehung der Frauen,
Frauenbild und Geschlechterbeziehung gewidmet hatte und die
vorzugsweise im 5. Buch des "Emile" zu finden sind.
Dort hatte Rousseau zunächst Grundzüge des Geschlechterverhältnisses,
wie er es als sinnvoll ansah und Spezifika der Erziehung von Frauen
dargestellt, bevor er im weiteren auf die Begegnung, Liebe und Heirat der
beiden Romanfiguren "Sophie" und "Emile" einging.
Die Frauenforscherinnen des 20. Jahrhunderts beziehen sich überwiegend
auf das 5. Buch des "Emile", um die Absichten Rousseaus gegenüber den
Frauen zu dokumentieren. Die zeitgenössichen Frauen hingegen
entnehmen verschiedenen Schriften Rousseaus Gedanken, um sie mit der
Erziehung von Frauen oder die Beziehungen der Geschlechter zu
verbinden. Sie beziehen sich auf die "Nouvelle Héloïse", auf den
gesamten "Emile", auf die Schrift "Rousseau richtet über Jean Jacques",
vermutlich auf den "Brief an d`Alembert" und auf den 1. Diskurs "Über
Wissenschaften und Künste".
Wenn sich Rezipientinnen zu Rousseaus Erziehungsvorstellungen äußern,
verbinden sie diese mit beiden Geschlechtern - nur Marianne Ehrmann
bildet eine Ausnahme. Keine der Rezipientinnen setzt sich ausführlich mit
Rousseaus unterschiedlichen Erziehungsvorstellungen für Emile und
Sophie auseinander, und keine nimmt explizit Stellung zu Rousseaus
Aussagen über das Geschlechterverhältnis im 5. Buch.
Zur Erziehung der Frauen äußern sich Marianne Ehrmann, Elisabeth
Eleonore Bernhardi, Therese Huber, Helmine Wahl, Amalia Holst und
Emilie von Berlepsch. Die Vorschläge, die diese Frauen in ihren Texten
machen, in denen sie Rousseau rezipieren, betonen zum einen die sittliche
Erziehung , zum anderen die Selbständigkeit der Frauen. Bernhardi und
Huber diskutieren ihre Gedanken in dem durch diese Begriffe
abgesteckten Rahmen, Ehrmanns Abhandlung behandelt in erster Linie
die Erziehung zur Sittlichkeit, Wahl möchte ihre Leserinnen zu Klugheit
39
und Tugend führen, und von Berlepsch und Holst argumentieren mit den
Begriffen "Selbständigkeit" und "Freiheit".
40
Lernziel: Sittliche Erziehung und Selbständigkeit
Therese Huber beispielsweise hält die sittliche Erziehung, die die Frauen
darauf vorbereite, in allen Lebenslagen ihr Leben zur Zufriedenheit zu
führen, für das Ziel weiblicher Erziehung. Sie verbindet diese Auffassung
mit der Forderung nach gesellschaftlicher Anerkennung der Ehelosigkeit
von Frauen.
In ihrem Roman "Die Ehelosen" von 1829 zeigt sie an verschiedenen Bei-
spielen, wie zufriedenstellend und sinnvoll das Leben einer ehelosen Frau
sein könne, wenn sie sich eigene Ziele und Beschäftigungsmöglichkeiten
suche.
Ihre Erwähnung Rousseaus als demjenigen, der ihr die grundlegenden
Erziehungsprinzipien vermittelt habe, zu denen auch die Selbsterziehung
gehöre, steht in indirektem Zusammenhang zu ihrem Thema "Ehelosig-
keit": Im Vorwort zu ihrem Roman setzt sie sich u.a. mit der Frage einer
Leserin auseinander, warum sie keine Frauen gezeigt hätte, die gegen
ihren Willen zur Ehelosigkeit verdammt seien?
Huber antwortet vor dem Hintergrund der Rousseauschen Idee der Selbst-
erziehung: Frauen seien nicht gegen ihren Willen ehelos, wenn sie die
Mittel anwenden, die sie "mit ihrem Loose zufrieden" (Huber: Die Ehe-
losen, IX) sein lassen. Das Ziel der Erziehung, die Menschen durch Sitt-
lichkeit geistig frei zu machen, bedeute auch, sich von Menschen,
Umständen oder sich selber unabhängig zu machen. Frauen sollten sich
Eigenschaften aneignen, die sie in die Lage versetzten, auch ohne Ehe im
Kreis der Ihrigen "nützlich, hülfreich, wohlthätig zu sein" (ebd., XXVI).
Dazu gehörten "Nachgiebigkeit, Fleiß und thätige Liebe" (ebd., XXIV).
Rousseaus Idee der Selbsterziehung zu sittlicher Freiheit überträgt Huber
auf die Situation eheloser Frauen, die durch entsprechende Eigenschaften
und Tätigkeiten ihre Wünsche auf die Bedingungen abstimmen könnten.
So tritt Huber sowohl für die sittliche Erziehung als auch für die
Selbständigkeit von Frauen als Ehelose ein und verbindet die Erziehung
zu "Nachgiebigkeit" und "thätiger Liebe" mit der Erziehung zur
Unabhängigkeit.
Diese für das Verständnis des 20. Jahrhunderts widersprüchliche Bestim-
mung, Nachgiebigkeit zu erlernen, um dadurch sittlich frei zu werden und
die eigene Lebenssituation selber mit Sinn füllen zu können, erscheint
Therese Huber offensichtlich nicht widersprüchlich. Die Appelle, sei
41
vernünftig, sei pflichtbewußt und sei nützlich nehmen die
Zeitgenossinnen als übereinstimmende Ziele von individuellen und
gesellschaftlichen Interessen wahr.
Besonders krass erscheint die Übernahme Rousseauscher Bestimmungen
für die Erziehung junger Frauen bei Marianne Ehrmann. Sie schreibt
Rousseaus Gedanken, dem Willen junger Mädchen müsse Zwang angetan
werden, sie sollten arbeitssam und munter erzogen werden, ihre
Erziehung müsse sich ganz auf die Männer beziehen, ihr Eigenwille
müsse ihnen früh genommen werden, damit sie nie "stolz" oder
"einbilderisch" würden, sondern immer "demüthig" seien.
Ehrmann hat bei ihren Erziehungsvorschlägen für junge Frauen die
Absicht, sie sollen "denken lernen", die Sitten ihrer Zeit verabscheuen
und wirklich "großen Geistern" gebieten wollen , indem sie als sittliches
Vorbild fungierten und insofern Einfluß auf Männer ausübten.
Die Erziehung also müsse zunächst Zwang ausüben, um Frauen gesittet
zu machen, dann hätten sie die Fähigkeit, gesittete Beziehungen zu leben,
die Glückseligkeit, Ruhe und Zufriedenheit versprechen.
Den Frauen im ausgehenden 18. Jahrhundert erschienen diese wider-
sprüchlichen Bestimmungen nachvollziehbar. Sie dachten die darin lie-
gende Dialektik der Aufklärung noch nicht, die die Unmöglichkeit der
Beherrschung menschlicher Natur zum Ausdruck gebracht hat. Sie fanden
es sinnvoll, dem eigenen Willen Zwang anzutun, um dadurch vernünftig
und glücklich, mithin ihren Interessen gemäß leben zu können. Erziehung
im 18. Jahrhundert hieß Beherrschung der störenden und Förderung der
guten Elemente, um ein humaner Mensch zu werden.
Einige Rezipientinnen betonen in ihrer Argumentation stärker die Selb-
ständigkeit der Frauen. Therese Huber, Amalia Holst und Elisabeth Eleo-
nore Bernhardi erwähnen in ihren Schriften die Idee, auch die
Ehelosigkeit könne für Frauen ein Lebensziel sein und appellieren damit
an die Eigenständigkeit von Frauen.
Emilie von Berlepsch zum Beispiel betont explizit die Eigenständigkeit
der Frauen gerade auch in der Ehe. Sie hebt in ihrem Aufsatz "Ueber
einige zum Glück der Ehe nothwendige Eigenschaften und Grundsätze"
(1791) auf den eigenen Willen der Frauen ab, auf die Notwendigkeit, ihn
auszudrücken, auf ihren Eigenanteil an der Gestaltung der
Geschlechterbeziehungen und auf die Selbständigkeit. Diese
42
Selbständigkeit erst bewahre Frauen vor Schwäche, Eitelkeit und Leiden
und verleihe ihnen die Kraft, sich nicht abhängig zu fühlen.
Rousseau habe recht, so begründet sie ihr Anliegen, wenn er sagt: "unser
wahres Selbst sey nicht ganz in uns" (von Berlepsch: Ehe, 1791, 89/90).
Das Selbst in sich aufzunehmen, eine ganze Person zu werden, die sich
nicht abhängig fühlt, sondern eigenständig, ist das Ziel, das von
Berlepsch den Frauen vermitteln möchte und mit einem Gedanken
Rousseaus erläutert.
Sie bezieht sich auf Vorstellungen der Aufklärung, wenn sie zu Grunde
legt, daß "hellere Vernunfterkenntniß" und "der Menschheit unentweihte
Rechte" die Gründe seien, auch Frauen "eine innere geistige Existenz
selbständig und eigenthümlich" zuzusprechen, ebenso wie den Männern
mit ihrem "unabhängigen [...] Lebenszweck" (ebd., 91/92).
Amalia Holst bezieht in ihrer Abhandlung "Ueber die Bestimmung des
Weibes zur höhern Geistesbildung" von 1802 ihre Forderung nach freiem
Zugang von Frauen zu allen Wissenschaften - in deren Zusammenhang
sie Rousseau scharf attackiert - auf die Idee der Perfektibilität, die den
Menschen innewohne und die sie zu entwickeln hätten. Die Bildung der
Frau müsse völlig frei sein, so Holst. Dieses Recht fordert sie
ausdrücklich für die Frauen, denen es in der Diskussion über die
"Bestimmung der Frau" vor allem von Männern abgesprochen werde. Sie
sieht die Frauen als Hausfrauen, Gattinnen, Mütter und als unverheiratete
Frauen, fordert die Rechte der Gleichwertigkeit und Gleichbehandlung
von Frauen und Männern und stellt die Geschlechterhierarchien in Frage.
Während von Berlepsch ihre Ansicht mit Gedanken Rousseaus begründet,
vertritt Holst ihre Meinung in strikter Entgegensetzung zu Rousseau. Von
Berlepsch rezipiert Rousseau als Theoretiker und Philosophen, dessen
Gedanken im Hinblick auf konkrete Zusammenhänge erst abgeleitet
werden müssen, Holst dagegen sieht ihn in ihrem Text 1802 als
Mitverantwortlichen an der Ausgrenzung von Frauen an.
Die Gedanken zur Erziehung der Frauen sind eng mit den Vorstellungen
der Rezipientinnen über das anzustrebende Frauenbild verbunden.
Welche Vorstellungen die Autorinnen in ihrer Rousseau-Rezeption über
Frauen haben und welche Ideale ihnen an Frauen vorschweben, möchte
ich abschließend im folgenden an zwei Beispielen aufzeigen.
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Rousseau hat zwei Frauenfiguren geschaffen, Sophie aus der Erziehungs-
schrift "Emile" und Julie aus seinem Roman "Julie ou La Nouvelle
Héloïse", deren Rezeption von besonderem Interesse ist. Rousseaus
Frauenfiguren unterscheiden sich sehr:
Sophie ist eine eher passive, etwas launenhafte, aber liebreizend-
anmutige, gefällige Frau, die von Emile erzogen werden soll.
Julie ist als Madame Wolmar der Mittelpunkt in Clarens, aktiv,
handlungsfähig, geläutert, "zu sich selbst gekommen",
verantwortungsvoll und ein menschliches Vorbild, von Rousseau als
"belle âme" (schöne Seele) bezeichnet.
Die zeitgenössischen Frauen interessierten sich vorwiegend für die Julie,
wie an der häufigen Erwähnung der "Nouvelle Héloïse" in den
Rezeptionsdokumenten deutlich wird. Auf die "Nouvelle Héloïse"
beziehen sich insgesamt 15 Rezipientinnen, davon auf Julie unter dem
Aspekt des Frauenbildes sechs. Julie war das eigentliche Vorbild der
zeitgenössischen Frauen in Deutschland, Sophie dagegen erfährt nur
geringe Aufmerksamkeit, auf sie beziehen sich nur zwei Rezipientinnen.
Sophie: Die Natürliche
Caroline Flachsland ist in ihren Briefen an Herder 1771 begeistert von
Sophie, deren Unverbildetheit und Munterkeit sie anzieht. Sie nennt sie
"liebes Mädchen" und möchte gern "Sophie bey Emil seyn und lernen"
(Schauer, Bd. 1, 353/354).
Caroline Flachslands Maßstäbe der "Natürlichkeit", "Unverbildetheit"
und "Unbeschwertheit" sind im Zusammenhang mit ihrem Naturbegriff
zu sehen, der gegen die "Last der Vorurtheile" gesetzt wird.
Sie rezipiert Rousseau als Kritiker der schlechten Zivilisation und als Ver-
künder der Gedanken, die die Menschen zu sich selbst bringen. Nach der
Natur zu leben und ihrem "ersten Gefühl" getreu zu sein, erscheint ihr als
Garant für Nichtentfremdung.
Sophie ist ihr Verkörperung dieser Anschauung, zu der auch paßt, daß
Caroline Flachsland nicht gelehrt, sondern gebildet sein möchte. "[...] das
gelehrte Frauenzimmer [...] ist Abscheu der Natur" (ebd., 353/354), hatte
Herder ihr geschrieben, und Flachsland stimmt seiner Rousseau-
Rezeption, daß Bücherwissen den Menschen von sich entferne, zu. Die
44
natürliche, unverbildete und muntere Sophie sieht Flachsland als
anzustrebende Frauenfigur, die die Verderbnis der schlechten Zivilisation
nicht aufgenommen habe. Bildung erstrebt Caroline Flachsland zudem
von einem "Emile", der gegen die schlechte Zivilisation erzogen worden
ist.
An anderer Stelle ihres Briefwechsels mit Herder bezeichnet sie das Fräu-
lein von Sternheim, die Romanfigur Sophie von La Roches, als ihr
"ganzes Ideal von einem Frauenzimmer". Sie sei "sanft, zärtlich,
wohlthätig, stolz und tugendhaft. und betrogen." (ebd., 239). An ihrer
Entgegenstellung zur wirklichen Sophie von La Roche, die ihr "mit ihrer
allzuvielen Coquetterie und Representation nicht gefallen" (ebd., Bd.2,
99) habe, läßt sich der antihöfische Hintergrund ihrer Maßstäbe ablesen.
Die "simple, erhabene Sternheim" steht für bürgerliche Tugenden, die
"Hoffdame" La Roche für künstliche Formen, die die Menschen von sich
selbst entfremden.
Julie: Die "erhabene starke Seele"
Amalia Holst setzt sich ausführlich mit "Julie" auseinander und rezipiert
sie als Ideal einer "erhabenen starken Seele". In ihren "Briefen über Elisa"
(1799/1800) fungiert Julie als positiver Gegenpol gegen die abzulehnende
Wobesersche Elisa. Julie sei "liebenswürdig und edel" (Holst: "Briefe",
1799, 35), "immer das liebende Geschöpf und unter allen Umständen treu
und beständig" (ebd., 214/215). Die "Entsagung ihres Geliebten" sei
"ohnstreitig ein Opfer wahrer Kindespflicht" (ebd.).
Holst arbeitet in ihrem Aufsatz Eigenschaften und Haltungen einer "erha-
benen starken Seele" heraus und nennt: Pflichtbewußtsein, Vernunft,
Tugend, Liebe, Treue, Beständigkeit, Streben nach Glückseligkeit (auch
der eigenen), ein Bewußtsein der eigenen Würde, vernünftige Selbstliebe,
Entschlußkraft und Handlungsfähigkeit.
Für Holst ist Julie Inbegriff der tugendhaften Person, die ein Bewußtsein
ihrer eigenen Würde hat und in ihrer vernünftigen Selbstliebe auch für die
eigene Glückseligkeit eintritt. Julie ist verantwortungsbewußt, kann ent-
scheiden und handeln und wirkt für andere wie für sich selbst.
Ich vermute, Amalia Holsts Bezeichnung der "erhabenen starken Seele"
meint eine Rezeption der Julie im Sinne der "schönen Seele" Rousseaus,
da auch Kant "erhaben" als "schön" bezeichnete:
45
"[...] ein Frauenzimmer, an welchem Annehmlichkeiten, die ihrem
Geschlechte geziemen, vornehmlich den moralischen Ausdruck des
Erhabenen hervorstechen lassen, heiszt schön im eigentlichen Ver-
stande." 9
Die "schöne Seele" Rousseaus ist nun keineswegs das Frauenbild einer
untätigen, abhängigen Frau, sondern das einer Frau, die die Fähigkeit hat,
im Gesellschaftszustand zu sich selbst zu finden und in Übereinstimmung
mit sich verantwortungsvoll, selbstbewußt, integer und wirksam für sich
und andere zu wirken.
Ich stimme Ralf Konersmann in seinem Aufsatz "Seelenschönheit als
Weiblichkeitsideal" (Konersmann, 1993, 96) zu, wenn er von der
"schönen Seele" als kulturkritischem Begriff bei Rousseau ausgeht.
Gegen die schlechte gesellschaftliche Entwicklung der Moderne
phantasiert Rousseau eine Person, die die Nichtentfremdetheit des
Naturstandes durch tugendhafte Läuterung überwinden und damit im
Gesellschaftsstand zu sich kommen kann.
Indem Holst Julie als "erhabene starke Seele" rezipiert, nimmt sie die
Tugend als Möglichkeit wahr, sich zu einer selbstbewußten und
verantwortungsvollen Person zu entwickeln. Darin sieht sie ein
weibliches Ideal, das sie in Rousseaus Julie verkörpert findet.
Holsts Maßstäbe sind im Tugendkatalog der Aufklärung verwurzelt,
heben aber in spezifischer Weise auf die eigene Glückseligkeit und die
vernünftige Selbstliebe ab. Holst zeigt einen Begriff von Individuierung,
der die egostischen Neigungen neben den altruistischen betont. Holst hält
die eigene Glückseligkeit, die in vernünftiger Entscheidung sich auch
gegen übertriebenen Gehorsam wenden muß, für die adäquate Auslegung
des Begriffes "Glückseligkeit".
Holst argumentiert hier - in deutlicher Betonung des Bewußtseins vom
Ich - im Rahmen moralischer Tugendgebote. In ihrer zwei Jahre später
(1802) erschienen Schrift "Ueber die Bestimmung des Weibes zur höhern
Geistesbildung" wird sie politisch argumentieren und für die Rechte der
Frau als Mensch eintreten.
9 Wörterbuch der Brüder Grimm, Stichwort "schön", S. 1480
 
46
Zusammenfassung
Damit möchte ich an dieser Stelle die Darstellung von Ergebnissen der
Rousseau-Rezeption in Schriften zeitgenössischer Frauen beenden. Ich
habe in diesem Aufsatz den Schwerpunkt auf die Bedeutung der
Rezeptionen vor dem Hintergrund des Denkens der Aufklärung gelegt.
Der Einfluß dieses Denkens kommt vor allem in den Argumentationen
zeitgenössischer Frauen mit den Begriffen "Glückseligkeit", "Tugend",
"Gefühl", "Abwehr von Leidenschaft" und "Erziehung" zum Ausdruck.
Zusammenfassend lassen sich unter diesem Blickwinkel folgende Thesen
der Rousseau-Rezeption in Schriften zeitgenössischer Frauen nennen:
1. Die Frauen waren überwiegend beeinflußt durch die Euphorie der
Aufklärung und damit der "Machbarkeit" guter Menschen durch
Erziehung.
2. Sie sahen Tugenden als zugleich individuell zufriedenstellende und
gesellschaftlich nützliche Denk- und Verhaltensweisen an. Rousseau
fungiert in zahlreichen Rezeptionsdokumenten als Förderer der
Tugend.
3. Gefühle zu intensivieren, empfanden sie als individuell befriedigende
und gleichzeitig menschlich und gesellschaftlich vervollkommnende
Haltungen. Fast alle Rezipientinnen thematisierten das Gefühl und
rezipierten Rousseau entweder schwärmerisch, den Geboten der
zeitgenössischen Gefühls-Theorie nach oder im Sinne der
Überwindung von Entfremdung durch die Besinnung auf das eigene
Gefühl.
4. Einige der Rezipientinnen wandten sich von Rousseau aufgrund seiner
Verführung zu Leidenschaftlichkeit ab.
5. Unter dem Aspekt der Erziehung begrüßten einige Rezipientinnen
Rousseaus Forderung, "selbst" zu sein und einer Erziehung "nach der
Natur" zu folgen.
6. Die Rezipientinnen favorisierten das Frauenbild der tugendhaften,
"klugen" und leidenschaftslosen Frau. Die Frau als zur Sittlichkeit
besonders Prädestinierte und als geeignete Trägerin bürgerlicher
Tugenden wurde damit aufgewertet. Einige Rezipientinnen verfochten
die Selbständigkeit der Frau, bezogen sich damit teilweise auf
Rousseau, teilweise argumentierten sie gegen ihn.
47
7. Die zeitgenössischen Frauen in Deutschland sahen in der "Julie" aus
Rousseaus "Nouvelle Heloïse" das angestrebte Vorbild. "Sophie" aus
der Erziehungsschrift "Emile" bekam kaum Referenzen. Insofern
waren die meisten der zeitgenössischen Frauen an der aktiv
gestaltenden, "zu sich selbst gekommenen", Verantwortung tragenden
Figur Julie interessiert und nicht an der eher passiven, liebreizend-
anmutigen und gefälligen Figur Sophie.
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